Störungen im Betriebsablauf

15.02.2023

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Schulleiterinnen und Schulleiter,

Vor wenigen Tagen hat der Vorstand des SLVN folgenden Brief von einer Schulleiterin aus Niedersachsen erhalten. Die Kollegin ist mit der Veröffentlichung einverstanden. Sie schrieb uns:

„Sehr geehrter Herr Mounajed,
Vielen Dank, dass Sie immer so für uns kämpfen.
Denken Sie, dass auch Niedersachsen die Teilzeit einschränken wird?
Ich z.B. arbeite aus gesundheitlichen Gründen Teilzeit, weil ich sonst die Arbeit als Rektorin und Klassenlehrerein nicht schaffe. Ich würde krank. Sollte Niedersachsen die Teilzeit auch aufheben, würde ich aus dem Beruf aussteigen, und das obwohl ich Schulleiterin mit Herz bin.
Wir schaut das rechtlich aus? Wir sind doch selbstbestimmte Menschen und entscheiden selbst, wie lange wir arbeiten, oder nicht?“

Dieser Brief bedarf keiner weiteren Kommentierung.

Zugleich machte gestern am Valentinstag eine niedersächsische Grundschule auf sich aufmerksam, die aufgrund von akutem Personalmangel – evoziert auch durch das Beschäftigungsverbot bei Schwangerschaft – auf eine Vier-Tage-Woche umsteigen wollte.

Der SLVN nimmt dazu wie folgt Stellung:

„Grundschule Wiefelstede setzt Zeichen“

„Vier-Tage-Woche ist vom Tisch“ – nur wenige Stunden nachdem die Meldung im Radio kam, dass die Schulleiterin der GS Wiefelstede aufgrund Personalmangels einzelne Jahrgänge an einem Tag pro Woche zuhause lassen wollte, teilt das Kultusministerium in Hannover mit, „dass Spielräume bestehen, um durchgängige Schulpräsenz an allen Wochentagen für alle Schuljahrgänge zu sichern“.

Diese Spielräume sind Zusammenlegungen von Klassen und Betreuung. Das ist aber kein Unterricht und keine Bildung, wie sie es die Lehrkräfte und Schulleitungen eigentlich leisten wollen und die unsere Schülerinnen und Schüler und deren Eltern zu Recht von den Schulen und Lehrkräften einfordern. Erneut wird hier der Betreuungsauftrag der Grundschulen höhergestellt als der Bildungsauftrag. Und leider, so lassen die Rückmeldungen aus vielen Grundschulen an uns erkennen, ist die Zusammenlegung von Klassen, die Betreuung von zwei oder drei Klassen gleichzeitig in der Sporthalle oder auf dem Pausenhof inzwischen nicht mehr die Ausnahme in Niedersachsen, sondern kommt regelmäßig an jeder Schule vor.

Warum werden Lehrkräfte, an denen es niedersachsenweit mangelt, für Betreuungsaufgaben eingesetzt statt zu unterrichten? Warum ist es für Schulen weiterhin unmöglich, zusätzliches Personal einzustellen, um Lehrkräfte bei Betreuungsaufgaben zu entlasten? Warum scheitert das noch immer so oft an der Finanzierung? Hier müssen die politisch Verantwortlichen endlich handeln und ihrem Teil der Verantwortung nachkommen.

Wieso ist es nach wie vor nicht möglich, schwangeren Lehrerinnen, die arbeiten wollen und können, dies auch wieder zuzugestehen, während sonst fast alle Corona-Schutzmaßnahmen fallen? Stattdessen wird den Schulleitungen die Verantwortung dafür zugeschustert. Sie müssen sicherstellen, dass unrealistische Vorgaben wie „1,5 Meter Mindestabstand“ und „Sicherstellung eines durchgängigen Maske-Tragens“ eingehalten werden, damit die betroffene Lehrerin arbeiten kann. Ansonsten bleibt der Schulleitung nur die Möglichkeit ein Beschäftigungsverbot auszusprechen, wofür natürlich keine Vertretungslehrkraft beantragt werden kann, da die Kollegin ja Aufgaben im Homeoffice übernehmen kann.

Das Problem des Personalmangels wird sich weiter verschärfen, wenn der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab dem Schuljahr 2026/27 kommt. Wer soll diesen umsetzen, wenn pädagogische Fachkräfte und Lehrkräfte fehlen?

Wir erleben derzeit „massive Störungen im Betriebsablauf“ im Bildungsbereich. Glaubt ernsthaft jemand, dass sich junge Menschen reihenweise für die Berufe Erzieher*in oder Lehrer*in, geschweige denn Schulleiter*in entscheiden, wenn die Arbeitsbelastungen und der politische Druck weiter erhöht werden?

Nur wenn massiv in Bildung und Gesundheit investiert wird, gibt es vielleicht einen Zuwachs an Personal, das in Schulen, Kitas, Krankenhäusern, Pflegeheimen dringend benötigt wird.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. René Mounajed | Stephan Lindhorst | Judith Brandes-Bock | Carsten Melchert