Gesetz zur Einführung der inklusiven Schule in Niedersachsen: Stellungnahme

Stellungnahme des Schulleitungsverbandes Niedersachsen e.V. (SLVN) zum Entwurf der Regierungsfraktionen „Gesetz zur Einführung der inklusiven Schule in Niedersachsen“ (Drucksache 16/4137)
Der Schulleitungsverband Niedersachsen e.V. (SLVN) begrüßt die Ratifizierung der UN-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Rechte behinderter Menschen durch die Bundesrepublik Deutschland. Aus unserer Sicht sollte jede Schülerin und jeder Schüler mit einem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung das uneingeschränkte Recht haben, eine allgemeine Schule zu besuchen.
Das Land Niedersachsen steht in der Pflicht, in allen Schulen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass diese Schülerinnen und Schüler eine in Qualität und Umfang optimale sonderpädagogische Förderung erhalten. Dazu gehört, dass eine bestmögliche Förderung aller spezifischen sonderpädagogischen Förderbedarfe möglichst in allen allgemeinen Schulen gewährleistet ist. Entsprechend sind das Land und die Kommunen aufgefordert, die Schulen sowohl mit den notwendigen Fachkräften als auch mit den erforderlichen sächlichen und räumlichen Ressourcen auszustatten.
Schülerinnen und Schüler mit den Förderschwerpunkten Lernen, emotionale und soziale Entwicklung sowie Sprache sind aus unserer Sicht grundsätzlich inklusiv zu beschulen. Die Förderschulen mit diesen Förderschwerpunkten sind entsprechend aufzulösen. Die Förderschulen mit den Förderschwerpunkten geistige Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung, Sehen und Hören sind in regionale Kompetenzzentren umzuwandeln.
Der SLVN spricht sich eindeutig gegen den Erhalt eines parallelen exklusiven Förderschulsystems aus und tritt vielmehr dafür ein, die entsprechenden Ressourcen für den Ausbau eines grundsätzlich inklusiven Schulsystems einzusetzen.
Wir erwarten, dass die Entwicklung zu einem inklusiven Schulsystem sorgfältig vorbereitet wird und die dringend benötigten Ressourcen für die spezifische sonderpädagogische Förderung aller Schülerinnen und Schüler den allgemeinen Schulen in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt werden.
Zu dem Gesetzentwurf zur Einführung der inklusiven Schule in Niedersachsen vom 26.10.2011 nimmt der Schulleitungsverband wie folgt Stellung:
§ 4 (Inklusive Schule)
Abs. 2, Satz 1
„soweit sich aus § 61 Abs. 3 Nr. 5 und Abs. 4 Sätze 1 und 2 nichts anderes ergibt.“ Ist zu streichen.
Begründung: Der SLVN lehnt die in § 61 vorgesehene „Überweisung an eine Förderschule“ als Ordnungsmaßnahme ab.
§ 14 (Förderschule)
Ist zu streichen.
Begründung: Der SLVN vertritt die Ansicht, dass Förderschulen mit den Schwerpunkten emotionale und soziale Entwicklung, Lernen und Sprache aufzulösen und die anderen noch bestehenden Förderschulen in regionale Kompetenzzentren umzuwandeln sind. Allenfalls Übergangslösungen könnten hier gesetzlich verankert werden.
§ 59 (Bildungsweg, Versetzung und Abschluss)
Abs. 5, Satz 1
Ist zu streichen.
Begründung: In diesem Satz sieht der SLVN eine erhebliche Einschränkung des Elternwillens. Im Interesse eines nicht näher definierten „Kindeswohls“ soll die Schulbehörde weiterhin auch gegen den Willen der Eltern über einen Beschulungsort entscheiden können. Dieses lehnt der SLVN ab.
§ 61 (Erziehungsmittel, Ordnungsmaßnahmen)
Abs. 3, Nr. 5 in Verbindung mit Abs. 4, Satz 2
Ist zu streichen!
Begründung: Die Überweisung an eine Förderschule als Ordnungsmaßnahme ist zum einen abzulehnen, weil aus Sicht des SLVN keine Förderschule mehr existieren sollte. Zum anderen erfolgt durch eine solche Regelung eine Stigmatisierung der Förderschule, da der Eindruck erweckt wird, dass der Besuch der Förderschule eine Strafmaßnahme darstellt. Darüber hinaus kann keiner Schülerin und keinem Schüler das Recht auf eine inklusive Beschulung verwehrt werden.
§ 162 (Erfüllen der Schulpflicht)
Satz 1
Ist zu streichen!
Begründung: Solange an Tagesbildungsstätten nicht die gleichen Qualitätsansprüche gestellt werden wie an Schulen, lehnt der SLVN eine Schulpflichterfüllung in diesen Einrichtungen ab. Von Bildungschancengleichheit kann nicht die Rede sein, wenn Schülerinnen und Schüler an den Tagesbildungsstätten aus Kostengründen beispielsweise von Erziehern und Sozialpädagogen „unterrichtet“ werden und nicht von qualifizierten Sonderpädagogen. Diese Kinder werden durch ihren Beschulungsort benachteiligt. Hier besteht aus Sicht des Schulleitungsverbandes dringend Handlungsbedarf.