Bildungsgerechtigkeit in Niedersachsen – Gemeinsame Erklärung zur Zukunft der Schulformen

Bildungsgerechtigkeit in Niedersachsen

Gemeinsame Erklärung zur Zukunft der Schulformen

– Tagungen in Peine 14.11.2019 und Oldenburg, 21.11.2019 –

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Präambel

Bildungsgerechtigkeit ist ein zentrales Ziel der Bildungspolitik und muss den veränderten Bedingungen bzw. der neuen Ausgangslage jeweils angepasst werden. Der gesellschaftliche Wandel wirkt hinein in alle Lebens- und Arbeitsbereiche. Veränderungen der Familienstrukturen, der sozio-ökonomischen Verhältnisse, kultureller Pluralismus u.v.m. sind die Folgen.

Die Arbeit an den Schulen muss diesen veränderten gesellschaftlichen Strömungen und Bedingungen Rechnung tragen, um ihren gesellschaftlichen Auftrag, der in der Erziehung und Ausbildung von jungen Menschen zu autonomen Mitgliedern einer demokratischen Gesellschaft besteht, zu leisten. 

Dazu benötigen alle Schulen eine gleiche, gerechte und verlässliche Verteilung von personellen und sächlichen Ressourcen. Die Investitionen in Bildung müssen zukünftig auch in Deutschland erhöht (am Bruttoinlandsprodukt gemessen) werden – vergleichbar den Ausgaben anderer OECD-Länder.

Kontinuität in der bildungspolitischen Ausrichtung muss Vorrang haben. 

In Niedersachsen fehlt es an den grundlegenden und umfassenden Voraussetzungen für eine gerechte Bildung für alle. Wenn wir von gleichwertiger Bildung sprechen, meinen wir:

  • Alle Schulformen leisten einen gleichwertigen Beitrag zum Bildungserfolg und verdienen deshalb gleichberechtigt Beachtung, Wertschätzung und Anerkennung.
  • Investitionen in die Bildung sind Investitionen in die Zukunft und sichern den Wirtschaftsstandort Niedersachsen.
  • Qualifizierte, verantwortungsbewusste Schulleitungen wirken als Führungskräfte engagierter Kollegien und Schulgemeinschaften.

Unsere Forderungen

Wir fordern gleiche Bedingungen für alle Lehrkräfte und Schulleitungen an allen Schulen. 

Das heißt im Einzelnen:

  1. Besoldung
  • Eine einheitliche Besoldungsstufe für alle Lehrkräfte aller Schulformen ist i.S. der Bildungsgerechtigkeit unausweichlich (mindestens A 13). 
  • Eine Besoldung von mindestens A 14 (A15) für Schulleiter*innen sowie für die 

Stellvertretenden Schulleiterinnen und Schulleiter von mindestens A 13+. Eine faire Besoldung ist unabhängig von Schülerzahlen. Dabei ist ein Abstand von 1,5 bis 2 Besoldungsgruppen zwischen Schulleitungen und Lehrkräften angesichts der Leitungsfunktion mit erweitertem Verantwortungs- und Aufgabenbereich angemessen.

  1. Unterrichtsverpflichtung
  • Eine einheitliche Unterrichtsverpflichtung für Lehrkräfte aller Schulformen ist anzustreben. Diese darf höchstens 23,5 Schulstunden betragen.
  • Die Unterrichtsverpflichtung für Schulleitungen darf 10 Wochenstunden nicht überschreiten.
  1. Ressourcen
  • Die Zuweisung von Ressourcen muss für alle Schulformen gleich, gerecht und unabhängig von den Schülerzahlen erfolgen.

     a) Zuweisung Personeller Ressourcen 

  • Einstellung von Fachlehrkräften passend zum Bedarf der Schule
  • Gewährleistung einer Unterrichtsversorgung von 110 %
  • Einplanen einer Vertretungsreserve für alle Schulformen
  • Gewährleistung der 100%igen Ausstattung des Ganztages
  • Ausstattung einer Klasse mit Förderschullehrkraft, Pädagogische/r Mitarbeiter*in, Sozialpädagog*in und Schulbegleiter*innen etc. als Mitglieder des Multiprofessionellen Teams, wobei der/die Schulleiter*in gegenüber allen weisungsbefugt sein muss
  • Einstellung zusätzlicher Schulassistent*innen (ohne Reduzierung der 200-er-Stunden)
  • Bereitstellung von weiterem Fachpersonal für besondere Fachaufgaben für die Bereiche:
    • IT-Administrator*in
    • Datenschutzbeauftragte/r
    • Verwaltungskraft für Verträge, Arbeitsrecht, Budget und Schulgirokonto
    • Sicherheitsbeauftragte/r u.a.

           b) Zuweisung räumlicher und sachlicher Ressourcen

  • Land und Kommunen müssen gemeinsam die Verantwortung (z. B. Ausstattung) für alle Schulformen – unabhängig von der Schulgröße – übernehmen und sich bei Entscheidungen direkt miteinander abstimmen.
  • Die Umsetzung des Digitalpaktes bedarf besonderer Unterstützung.
  • Die Kostenübernahme für Ausstattung, z.B. Herstellung der notwendigen räumlichen Voraussetzungen etc. im Kontext der Inklusion muss weiterhin umfassend fortgesetzt werden.

           c) Zuweisung von Anrechnungsstunden, Beförderungs-/Funktionsstellen

  • Eine Erhöhung der Sollstunden im Zusatzbedarf (z. B. 071)
  • Erhöhung der Anrechnungsstunden für besondere Belastungen:
  • Beratungszeit (Multiprofessionelle Teams, Klassenteams etc.)
  • zusätzlicher Bedarfe: pro Klasse 1 Stunde (Klassenrat, Konfliktgespräch etc.)
  • Schaffung von Beförderungsposten mit den dazugehörigen Entlastungsstunden für alle Schulformen 

         d) Eine Reduzierung der Klassengrößen ermöglicht den Schüler*innen verbesserte 

              Lernbedingungen und mehr Teilhabe.

  1. Inklusion
  • Alle Schulen sind inklusiv (NSchG §4). Keine Schulform ist davon auszuschließen, d.h. auch Gymnasien sind Inklusionsschulen.  
  • Die durch Weiterbildung zu Förderschullehrkräften qualifizierten Lehrkräfte müssen an Regelschulen arbeiten. Eine Bindung der Förderschullehrkräfte an die jeweilige Einsatzschule durch Bewerbung oder Versetzung ist anzustreben. Die Wiederaufnahme der Qualifizierung zur Förderschullehrkraft muss bei angemessener Freistellung ermöglicht werden.
  1. Landesschulbehörde

      Bei der Umstrukturierung der Steuerungsebenen im MK auf ein „Zwei-Ebenen-System“    

       (Kultusministerium, vier Landesämter) ist darauf zu achten, dass die Bereiche 

       Beratung/Service und Dienstaufsicht getrennt und voneinander unabhängig sind.

      Eine wertschätzende Unterstützung aller Schulleitungen durch die Dienstvorgesetzten bzw. 

              die Behörde muss jedem in gleicher Weise zukommen, unabhängig von der Schulform. 

  • Verlässlichkeit, Kontinuität sowie zeitnahe Unterstützung hinsichtlich vielfältiger Problem- und Konfliktlösungen seitens der LSchB ist wünschenswert und notwendig.
  • Eine individuelle Unterstützung für „Brennpunktschulen“ bedarf zusätzlicher Ressourcen, Maßnahmen und individueller Hilfen. 
  • Eine spürbare Entlastung von Verwaltungsaufgaben und Verlagerung auf die Behörde ermöglicht Schulleiter*innen mehr Spielräume, um sich um die pädagogische Weiterentwicklung ihrer Schule (Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklung) zu kümmern.
  1. Berufsbild Schulleitung
  • Der „Beruf Schulleitung“ muss einheitlich und als eigenes Berufsfeld definiert werden.

Das bedeutet auch einen Perspektivwechsel für das Schulleitungs-Team.

  • Schulleitungen benötigen eine eigene Personalvertretung.
  • Echte Eigenverantwortung der Schulleitungen meint freie Verfügbarkeit über Ressourcen und Entscheidungsfreiheiten, um den vielfältigen verantwortungsvollen Aufgaben von Schulleitungen gerecht zu werden.

Fazit

Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Schulleitungen, Kultusministerium und 

Schulaufsicht (LSchB / Landesämter für Bildung und Erziehung) ist Grundlage für ein Gelingen 

im Hinblick auf die Bewältigung der oben genannten Probleme und Herausforderungen. 

Der Prozess der Umsetzung unserer Forderungen kann somit nur in einem offenen, konstruktiven und wertschätzenden Dialog gelingen, so wie im Vorwort des SVBl 08/2019 von Herrn Minister Tonne angekündigt. Der SLVN bietet ausdrücklich sein Interesse und seine Bereitschaft zur Mitarbeit in diesem Dialog an.