Stellungnahme: Arb ZVO SL

Mit dem vorliegenden Entwurf einer ersten eigenen Arbeitszeitverordnung für Schulleiterinnen und Schulleiter (ArbZVO-SL) wird zum Ausdruck gebracht, dass Schulleiterinnen und Schulleiter in Niedersachsen aufgrund der sich in den letzten Jahren veränderten Aufgabenstellungen und Verantwortungsbereiche als eigenes Berufsbild angesehen werden müssen. Im Mittelpunkt des Berufs „Schulleiter“ steht die Leitung des Unternehmens Schule. Die Erteilung von Unterricht wird als ergänzendes Element im Gesamttätigkeitsfeld definiert.
Bei der Analyse der im Verordnungsentwurf vorgesehenen Zeit für die Erfüllung der Aufgaben nach § 43 NSchG (Leitungszeit) wird allerdings deutlich, dass hier kein grundsätzlich neues Denken zu erkennen ist. Der Verordnungsentwurf bleibt mit seinem Berechnungsmodell von Leitungszeit bei den alten Bezugsgrößen Schulform und Regelstundenzahl und das zu erteilende Maß an Unterricht orientiert sich weiterhin an der schulformbezogenen Unterrichtsverpflichtung einer Vollzeitlehrkraft. Dieser Ansatz widerspricht der schulformunabhängigen Festlegung von Schulleitungsaufgaben in § 43 NSchG. Jeder Schulleiter, jede Schulleiterin, egal, ob in einem kleinen Grundschulsystem oder einem komplexen berufsbildenden System, hat im Prinzip dieselben Aufgaben im Rahmen von Gesamt- und Qualitätsverantwortung wahrzunehmen.
Dass der vorgeschlagene Berechnungsmodus der falsche Weg ist, wird am Beispiel der Kooperativen Gesamtschule besonders deutlich. Hier differiert die Unterrichtsverpflichtung der Schulleiterin je nach Einsatz in den einzelnen Schulzweigen um bis zu 4 Stunden, obwohl exakt dieselbe Schule zu leiten ist.
Will man Schulleitung als eigenen Beruf fassen, muss sich dies in der arbeitsrechtlichen Systematik dahingehend ausdrücken, dass sie aus dem Schulformbezug herausgelöst wird. Die Bemessung der die Leitungszeit mindernden Unterrichtsverpflichtung muss unabhängig von der Schulform erfolgen. Als Ausgangsbasis für die Berechnung der Unterrichtsverpflichtung kann nach Auffassung des SLVN die Basiszahl 25 Stunden angesetzt werden. Hiervon muss jeder Schulleiterin/jedem Schulleiter schulform- und größenunabhängig bzgl. der Unterrichtsverpflichtung ein Minderungssockel in Höhe von 10 Stunden (9 Stunden Unterricht + 1 Stunde Eigenverantwortliche Schule) für die allgemeinen Leitungsaufgaben angerechnet werden, so dass sich eine maximale Unterrichtsverpflichtung pro Schulleiterin/Schulleiter in Höhe von 15 Unterrichtsstunden in der Woche ergibt. Die weitere Minderung der Unterrichtsverpflichtung erfolgt dann, wie in der Verordnung vorgesehen, Sollstunden orientiert und Intervall gesteuert.
Diese Reglung würde insbesondere dort eine Verbesserung der Leitungssituation bewirken, wo sie am dringendsten erforderlich ist, bei den zahlreichen kleinen Schulen im Land. Die Arbeitssituation von Schulleiterinnen und Schulleitern in diesen Schulen ist gekennzeichnet durch eine völlig unzureichende Ausstattung mit Verwaltungspersonal, durch fehlende Delegationsmöglichkeiten und eine dadurch bedingte ständige Vermischung von Rollen und Zuständigkeiten (Lehrkraft, Klassenlehrkraft, Schulleitung).
Derlei Arbeitsbedingungen geben den Schulleiterinnen und Schulleitern nicht den erforderlichen Raum für qualitative Schulentwicklungsarbeit im Sinne des § 32 NSchG. Eine Arbeitszeitverordnung für Schulleiterinnen und Schulleiter muss eben diesen Raum für Qualitätsentwicklung sicherstellen und ein Berufsbild abbilden, das so attraktiv ist, dass gute Führungskräfte für die Leitung von Schulen gewonnen werden.
Dem Schulleitungsverband ist dabei bewusst, dass diese Ausstattungsmerkmale angesichts von1800 Grundschulen im Lande Ressourcen intensiv sind. Seit langem ist daher der dringende Appell an das Land gerichtet gewesen, über die Schaffung von Schulsprengeln insgesamt zu größeren organisatorischen und pädagogischen Einheiten zu gelangen, so dass Synergieeffekte in der Frage der Leitung und Unterrichtsverpflichtung geschaffen werden können. Eine strategische Ausrichtung des Landes in dieser Frage ist aber weiterhin nicht zu erkennen.
Ebenfalls zu berücksichtigen ist eine zusätzliche Leitungsstunde im Umfang von mindestens einer Stunde für Schulen ohne ständigen Vertreter.
Die Arbeitsstruktur der Schulen hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert, dies muss in der neue Arbeitszeitverordnung seinen Ausdruck finden.
In die das Unterrichtsmaß steuernde Lehrersollstundenzahl müssen aufgrund des höheren Verwaltungs- und Leitungsaufwands deshalb auch weiteres Personal eingerechnet werden. Es sind dies vor allem Mitarbeiter mit Dienst- oder Arbeitsverträgen – mindestens bei offenen und teilgebundenen Ganztagsschulen, Mitarbeiter mit einem Dienstverhältnis zum Schulträger, die der Weisung der Schulleitung unterliegen, abgeordnete Lehrkräfte, z.B. die im Mobilen Dienst tätigen Lehrkräfte der Förderschulen, pädagogische Mitarbeiter der verlässlichen Grundschule sowie landesbedienstete Angestellte in den Förderschulen .
Ein weiterer zu verändernder Punkt ist die Schwerbehinderten- und Altersermäßigung sowie die Regelung zu Teilzeitarbeit und vorübergehend herabgeminderte Dienstfähigkeit. Diese Minderungen müssen unabhängig von der Unterrichtsverpflichtung für alle Schulleiterinnen und Schulleiter gleichermaßen gegeben sein. Ebenfalls muss bei Teilzeitregelungen auch der Leitungsanteil teilzeitfähig sein, ohne dass dies die Gesamtverantwortung des sich in Teilzeit befindlichen Schulleiters mindert.
Die Anrechnungszeiten für dienstrechtliche Befugnisse muss im bisherigen Umfang sichergestellt bleiben, ohne die im Entwurf vorgesehenen unpräzisen „Kann“-Regelungen.
Die Entscheidung über die vorgesehene Mindestunterrichtsverpflichtung von zwei Stunden muss der betreffenden Schulleiterin bzw. dem Schulleiter überlassen bleiben. Bei diesem Personenkreis handelt es sich um Leitungen sehr großer Systeme, die mit ihren z.T. 200 Bediensteten einem mittelständischen Unternehmen entsprechen. Diesem Personenkreis darf man gerne zutrauen, selbst zu entscheiden, inwieweit die Übernahme von zwei Stunden Unterricht dauerhaft erforderlich ist oder ob hier flexible Regelungen zielführender sind.
Die vorgesehenen Dokumentation der erbrachten Unterrichts- und Leitungsarbeit würde dokumentieren, wie komplex und umfangreich das tatsächliche Arbeitsaufkommen im Rahmen einer Schulleitungstätigkeit ist und dass die Arbeitszeit von Schulleiterinnen und Schulleitern trotz unterrichtsfreier Zeit weit über der vorgeschriebenen Arbeitszeit liegt. Eine Arbeitszeitverordnung für Schulleiterinnen und Schulleiter darf den Focus nicht auf die Dokumentation von Arbeitszeit richten, sondern muss gem. § 43 NSchG Raum für die eigentliche Aufgabe von Schulleitung schaffen, der Qualitätsentwicklung in ihren Schulen. Sie soll nicht kontraproduktiv noch zusätzliche Verwaltungsaufgaben hervorbringen. Es kann sich daher bei einer Dokumentation der Arbeitszeit nur um eine Regelung handeln, die für die einzelne Leitungsperson frei ausführbar und einfach handhabbar ist.
Eine Arbeitszeitverordnung für Schulleiterinnen und Schulleiter wird daran gemessen werden, ob es ihr gelingt, jenes Maß an Leitungszeit zu definieren, welches den Erfordernissen von Qualitätsentwicklung in den Schulen gerecht wird. Hier bleibt der vorliegende Entwurf noch vieles schuldig.