Positionspapier für das Dialogforum „Dauer der Schulzeit bis zum Abitur“

10. Juni 2013 in Loccum

Der Schulleitungsverband sieht im neu eingerichteten Dialogforum „Dauer der Schulzeit bis zum Abitur“ eine gute Möglichkeit und ein geeignetes Instrument, die Arbeit an den Gymnasien in Niedersachsen weiter zu entwickeln und begrüßt deshalb die Initiative des Kultusministeriums ausdrücklich.
Für den Schulleitungsverband ist sowohl ein Abitur nach 12 als auch nach 13 Jahren denkbar. In beiden Fällen muss der Fokus auf den Entlastungsaspekt für Schülerinnen und Schüler gelegt werden. Entweder über G9 oder aber mit einem deutlich reformierten G8. Ein „Weiter so“ im alten G8 kann es aus unserer Sicht nicht geben.

Zur Entscheidungsmöglichkeiten der Schulen und Schulträge
Der Schulleitungsverband spricht sich gegen eine Wahlmöglichkeit der Einzelschule in Abstimmung mit dem Schulträger aus. Unterschiedliche Modelle würden Schülerinnen und Schülern einen Schulwechsel, z.B. durch Umzug, erschweren, vor allem im ländlichen Raum mit z. T. nur einem Gymnasium vor Ort.
Gegen unterschiedliche Modelle spricht auch, dass die Kooperationsmöglichkeiten der Schulen vor Ort erschwert würden, wenn die Schulen nicht mehr synchron laufen würden. Der SLVN fordert daher ausdrücklich, dass für Niedersachsen ein einheitliches Modell gefunden wird.

Zum Abitur nach 13 Jahren
Eine Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren ist aus der Sicht des SLVN grundsätzlich vorstellbar. Das Abitur nach 13 Jahren würde zu einer deutlichen Entlastung führen:

Die 265 Stunden bis zum Abitur könnten dann so verteilt werden, dass die Schüler in den unteren Jahrgängen, den Klassen 5 bis 9, weniger belastet sind. Statt 29 – 32 – 32 – 32 – 33 Stunden in den Jahrgängen 5 bis 9 hätten die Schüler 29 – 30 – 30 – 30 – 30 Stunden.
Auch die Schulen hätten mehr Zeit und Raum zur Umsetzung ihrer Konzepte.
Die Möglichkeit zum Überspringen hätten die Schülerinnen und Schüler dennoch – in Form von individuellen Lösungen, für die die Schulen Verantwortung tragen.
Eine Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren hätte allerdings den Nachteil, dass sich die Gymnasien und mit ihnen Eltern, Schüler und Kollegen, die sich in den letzten Jahren schon auf das Abitur nach 12 Jahren eingerichtet haben, erneut umstellen müssten. Dies gilt es aus Sicht des Schulleitungsverbandes zu berücksichtigen.
Zum Abitur nach 12 Jahren
Sollte es an den Gymnasien bei einem Abitur nach 12 Jahren bleiben, was für den SLVN durchaus denkbar wäre, müsste es aus Sicht des SLVN deutliche Reformen geben.
So sollte z. B. die Stundentafel angepasst werden. Trotz Umstellung auf 12 Jahre überschreitet Niedersachsen in den zentralen Fächern die KMK-Vorgaben für die Wochenstunden. Hier ergibt sich auch in einem G8-Modell Entlastungspotential.
Sowohl in der Sek I als auch in der Oberstufe müssen die Kerncurricula intensiv überarbeitet, die Zahl der Lernzielkontrollen muss reduziert und andere Formen der Leistungskontrollen müssen möglich sein.
In der Qualifikationsphase sollte die Belegpflicht nicht über den von der KMK vorgegebenen Rahmen hinausgehen. Entsprechend muss beispielsweise die Anzahl der Prüfungsfächer im Abitur und die Anzahl der Einbringung von Kursen in der Qualifikationsphase überprüft werden. Der Schulleitungsverband spricht sich in diesem Zusammenhang für eine Rückkehr zu vier Prüfungsfächern aus, mit zwei fünfstündigen Leistungskursen und zwei dreistündigen Prüfungskursen als Grundkursen.

Aus unserer Sicht muss nicht an der bisherigen Schwerpunktsetzung über die Profilbildung festgehalten werden. Wir sehen durchaus Möglichkeiten der Schwerpunktbildung durch Auswahl der Prüfungsfächer P 1-4. Dadurch, dass in den Prüfungsfächern jeweils die Bereiche A (Sprachen), B (Geisteswissenschaften) und C (Mathematik und Naturwissenschaften) abgebildet werden, wird gleichzeitig einer vorzeitigen Verengung in der Oberstufe oder einer Schwächung einer der drei genannten Bereiche vorgebaut. Im Sinne der o. g. Entlastung im Bereich der Lernzielkontrollen wäre es nachdenkenswert, ob die Anzahl der Lernzielkontrollen im Grundkursbereich eine Unterscheidung zwischen Prüfungs- und Nichtprüfungskurs aufweisen.

Der Schulleitungsverband spricht sich für ein möglichst langes Offenhalten von Bildungswegen aus. In einem G8-Modell wäre es deshalb grundsätzlich denkbar und wünschenswert, die Entscheidung für G8 oder G9 ebenfalls länger offen zu halten. Schülerinnen und Schüler könnten dann z.B. nach Klasse 9 entscheiden, ob sie in 12 oder 13 Jahren ihr Abitur machen wollen (Y- Modell). In der einen Variante würde dann ein Übergang in den Jahrgang 10 mit anschließenden Kurshalbjahren Q1, Q2, Q3 und Q4 erfolgen, während in dem dreizehnjährigen Zweig die Schüler über die 10. und 11. Klasse in Q1, Q2, Q3 und Q4 übergehen würden. Für die Schulen würde dieses Y-Modell eine organisatorische und pädagogische Differenzierung in den Jahrgängen 10 und 11 bedeuten, auch wenn aus unserer Sicht dann geklärt werden müsste, inwiefern eine zu einem späteren Zeitpunkt angesetzte Trennung mit der Stundentafel und der Gesamtzahl von 265 Stunden kompatibel gemacht werden kann.
Wir halten ein frühes Parallellaufen von zwei Strängen ab Jahrgang 5 (G8-Strang und G9-Strang) weder pädagogisch – auf Grund der frühen Entscheidungsnotwendigkeit – noch schulorganisatorisch für sinnvoll. In kleineren Gymnasien würden zwei Stränge ab Jahrgang 5 zu erheblichen Unwuchten führen können und letztlich eine weitere Aufteilung hin zu „zwei Schulen unter einem Dach“ bedeuteten.

Zusammenfassung
Der Schulleitungsverband begrüßt ausdrücklich die im Dialogforum dokumentierte Reformbereitschaft der neuen Landesregierung im Bereich G8 und G9. Für uns steht eine unbedingt notwendige Entlastung der Schülerinnen und Schüler im Vordergrund. Das bisherige Modell des G8-Gymnasiums ist hier aus unserer Sicht überarbeitungsbedürftig.

Eine Reform kann für uns eine Rückkehr zu G9 bedeuten, wir sehen aber im Abitur nach 8 Jahren am Gymnasium deutliche und in der oben skizierten Form sehr gut nutzbare Reformpotentiale, bei gleichzeitiger Warnung vor einer Überindividualisierung des niedersächsischen Schulsystems durch Übertragung der Entscheidung G8 / G9 beispielsweise auf die Schulträger. Wir sind der Meinung, dass eine für alle niedersächsischen Gymnasien einheitliche Lösung das Ziel eines Neuansatzes sein sollte.
Der Schulleitungsverband bietet der neuen Landesregierung für diesen weiteren Reformprozess seine konstruktive und gestalterische Mitarbeit an.