Stellungnahme des SLVN zum Inspektionsbericht 2008

SLVN- Stellungnahme zum Bericht der Niedersächsischen Schulinspektion anlässlich des Hearing in Bad Iburg am 19. Januar 2009
Was bringt die Schulinspektion in Niedersachsen für die Schulen und deren Steuerung?
Vorbemerkungen
Lange Zeit glaubten wir Pädagogen, wir müssten uns nicht in die Karten schauen lassen, Schule funktioniere nach eigenen Gesetzmäßigkeiten, die man nicht an Qualitätskriterien messen könne. Schule liefere keine Produkte ab, deren Güte umfassend überprüfbar sei. Wir glaubten, wir seien der übrigen Gesellschaft keine Rechenschaft schuldig über das, was in die Bildung investiert wird und das, was die Schulen damit machen. Wir erhoben nur punktuell und unsystematisch Daten, die uns etwa über die Anzahl der vergebenen Abschlüsse Auskunft gaben, nicht aber über deren Qualität und die Leistung der Schule. Viele von uns dachten lange Zeit, wenn ein Schüler sich nicht für Unterricht und Lernen interessiere, dann sei das nicht unsere Aufgabe, sondern die Aufgabe der Erziehungsberechtigten, Lernbereitschaft zu erwirken.
Das ist inzwischen anders geworden, und das ist gut so!
Zu dieser veränderten Betrachtungsweise der Leistung unserer Schulen gehören nach Auffassung des SLVN externe und interne Evaluationsinstrumente wie die NSchI und z. B. SEiS oder EFQM unverzichtbar dazu.
(Die Abkürzung „(E)NSchI“ gesprochen scheint mir  zu sehr verniedlichend. Ich habe hohen Respekt vor der Arbeit, die dort geleistet wird.
Einige Zahlen

  • Es gibt ca. 3100 Schulen in Niedersachsen.
  • Ca. 40 % der Schulen wurden seit 2006 inspiziert.
  • Mehr als 90% (bis 95 %) der inspizierten Schulen fühlten sich fair behandelt und korrekt beurteilt
  • 75%  der Schulleitungen bestätigten, dass Impulse der Qualitätsverbesserung durch die Inspektion ausgelöst wurden.
  • 6,2 % der inspizierten Schulen mussten nachinspiziert werde. Sie erhielten ca. eineinhalb Jahre Zeit, um festgestellte Schwächen auszugleichen. Bei 12 von 14 nachinspizierten Schulen wurden bereits deutliche Verbesserungen attestiert. Es muss wenigstens die Frage erlaubt sein, ob das ohne die Inspektion geschehen wäre?

Diese Zahlen überzeugen. Sie weisen nach Ansicht des SLVN aus, dass die Inspektion mit hohem Engagement und großer Sorgfalt arbeitet.
Welche schulische Behörde/welches Amt kann ein solches Evaluationsergebnis vor -weisen?
Zur Arbeitsweise der Niedersächsischen Schulinspektion

  • Sie stellt Transparenz über die Schulqualität in Niedersachsen  her.
  • Die Inspektionsergebnisse sind valide und belastbar.
  • Daten und Dokumentationen der Schule sind Basis
  • Grundlage für die Bewertung sind der „Orientierungsrahmen Schulqualität“, sind Unterrichtsbeobachtungen, sind Interviews mit verschiedenen schulischen Gruppen.
  • Die Inspektion evaluiert sich im laufenden Verfahren,
  • verbessert fortlaufend ihr Curriculum.
  • Internationale und nationale Erfahrungen und Erkenntnisse fließen in die Weiterentwicklung des Verfahrens ein.
  • Rückmeldungen der Schulen werden eingearbeitet.

 
Der SLVN bescheinigt der Inspektion eine valide sowie systematische Form der Datenerhebung  und eine gut annehmbare, konstruktive Rückmeldung  im Sinne der Qualitätsverbesserung.
Der Bericht  wägt seine Aussagen mit großer Sorgfalt ab …beobachtete Schwächen sind keine Schuldzuweisungen. Ursachen können historische Gegebenheiten oder Rahmenbedingungen sein. Niedersachsens allgemein bildende Schule erhalten die besten Bewertungen in den Kriterien ‚Pädagogisches Klima‘ und ‚Schulklima und  Schulleben‘ Sie ermutigen ihre Schülerinnen und Schüler….
Der SLVN sieht im Inspektionsbericht durchaus ein Kompliment für die Arbeit an unseren Schulen.
 
Zur Qualifikation der Inspektorinnen und Inspektoren

  • 53 Inspektorinnen und Inspektoren stammen aus allen Schulformen.
  • Sie verfügen über mehrjährige Leitungserfahrungen.
  • Sie mussten ihre Eignung in einem  Auswahlverfahren unter Beweis stellen.
  • Sie haben eine 4-monatige Qualifizierung durchlaufen.
  • Sie mussten eine Prüfung ablegen.
  • Sie kennen die Inspektion oder vergleichbare Instrumente im Ausland (z. B. in den Niederlanden, in der Schweiz) und den Stand der Entwicklung in den anderen Bundesländern. Ihre Arbeit wird ministeriell und wissenschaftlich begleitet.

Der SLVN sieht keinen sachlichen Grund, die Qualifikation der Inspektoren in Frage zu stellen. Durch das Auftreten in Tandems ist ein vielschichtiger Blick auf die Einzelschule gewährleistet.
Zur fachlichen, methodischen und damit pädagogischen Aussagekraft der Inspektionsergebnisse
Dass wir Schulen gerne noch bessere  Bewertungen  in unserem Kerngeschäft, der Lernwirksamkeit des Unterrichts, bekommen hätten, liegt auf der Hand.
Hier verurteilt der SLVN nicht „den Übermittler der schlechten Nachricht“, also die  Inspektion. Die Inspektion darf deshalb nicht als fachlich oder methodisch defizitär abgewertet werden.
Der SLVN will Fachliches und Methodisches nicht  gegeneinander ausgespielt wissen.
Das ist ein konstruierter Gegensatz, den es nicht gibt. Gute Pädagogen wissen sehr genau,  dass im lernwirksamen Unterricht beide Komponenten aufeinander und auf die Schülergruppe didaktisch sinnvoll abgestimmt werden müssen. Das ist unser Kerngeschäft, das ist das, was wir können sollten.
Der SLVN vertraut den Inspektorinnen und Inspektoren, wenn sie pädagogische und fachlich-methodische Eindrücke aus den Unterrichtsbeobachtungen „spiegeln“.
Sie „beurteilen“ nicht die einzelne Lehrkraft in ihrem Unterricht!  Das ist nicht ihre Aufgabe. Dennoch gesteht der SLVN den Inspektorinnen und Inspektoren eine vergleichbare Urteilskraft und Qualifikation zu, wie man sie landesweit Schulleiterinnen, Schulleitern, Dezernentinnen und Dezernenten zuerkennt, die Unterricht als Grundlage für dienstliche Beurteilungen besichtigen.
Neben den Schulen sind vor allem  die Universitäten und die Seminare für die pädagogisch-fachliche Ausbildung der Lehrkräfte zuständig. Schulen können ihre Lehrkräfte nur begleiten und weiterentwickeln. Wenn also uns diese Schwäche in der Lernwirksamkeit des Unterrichts bescheinigt wird, möchten wir Schulen die Verantwortung dafür gerne mit Universität, Seminaren und Landesschulbehörde geteilt wissen. (So darf z. B. nicht jede/r universitäre Absolvent/in in den Schuldienst aufgenommen werden, nur um naturwissenschaftliche Fächer abzudecken! Referendare, die zweimal ihre Prüfung nicht bestanden haben, sind auch als Quereinsteigerinnen eher nicht für den Schuldienst geeignet.)
Schule als Ganzes – Unterricht als ein Bestandteil des Ganzen
Der „Orientierungsrahmen für Schulqualität“ kann uns Niedersachsen stolz machen, weil er die Schule als Ganzes in den Blick nimmt. Das reicht von der lernanregenden Atmosphäre über ein vorbildliches, auf ein Leitbild abgestimmtes Verhalten der Lehrkräfte, bis zum Kerngeschäft Unterricht.
Der SLVN erkennt deshalb an, dass 20-Minuten-Unterrichtsbeobachtun-gen bei 50% der Lehrkräfte einer Schule eine hinreichende Basis sind, um wahrzunehmen, wie Unterricht an der Schule stattfindet. Hier vertritt der SLVN die empirisch belegten Ausführungen von Prof. Dr. Andreas Helmke zu diesem Thema.
 
Inspektion und Verantwortung der Schulleitung für die Qualitätssicherung und -verbesserung
Die niedersächsischen Schulleitungen haben sich zu mehr als 75 % positiv zu den Impulsen geäußert, die die Inspektion in ihren Schulen ausgelöst hat. Und das auf dem Hintergrund der Tatsache, dass mindestens zwei der 16 Kriterien die Leistungen Schulleitungen sehr intensiv abfragen und dokumentieren. Es gab Anfragen an den SLVN, ob sich an dieser Stelle der Verband schützend vor seine Schulleitungsmitglieder stellen werde. Wo Schulleitungen offensichtliches Unrecht geschieht, ist das selbstverständlich. Diese Einzelfälle nutzt der SLVN aber nicht, um grundsätzlich die Arbeit der Schulinspektion zu diskreditieren.
Interessant und deshalb an dieser Stelle erwähnenswert ist die Klage einer Schulleiterin gegen das Inspektionsergebnis ihrer Schule. Im Urteil kam es zu einem Vergleich. Im Plädoyer führte die Richterin aus, dass die Schulleiterin für das Inspektionsergebnis keine Verantwortung übernehmen könne, da sie ja Lehrerin sei und mit der Mehrzahl ihrer Arbeitszeit unterrichte. Gibt es einen besseren Beweis für die Rechtmäßigkeit der SLVN-Forderungen?
 
Und das ist unsere Mahnung: Nicht die Schulinspektion ist zu kritisieren, sondern die mangelnde Fürsorgepflicht gegenüber den Schulleitungen, die noch immer keine eigene Arbeitszeitverordnung haben, die noch immer alle  Zusatzpakete für ein Minimum an Entlastungsstunden erledigen!
Auf Ihre Frage:
Was bringt die Schulinspektion in Niedersachsen für die Schulen und deren Steuerung?  Gibt es nur eine Antwort:
Sie bringt uns so lange viel zu wenig, wie die Schulleitungen nicht in den Stand versetzt werden, Qualitätssicherung und –verantwortung auch übernehmen zu können. Die gute Arbeit der Inspektion droht zu versanden, wenn die Unterstützungssysteme nicht systematisch weiter ausgebaut werden und hürdenlos direkt und ohne Antragsformulare angefordert werden können.
Man muss das eine tun – die Schulen inspizieren – und darf das andere nicht lassen!
Die im Gesetz verankerte Eigenverantwortliche Schule muss erst noch eigenverantwortlich werden. So ist sie es jedenfalls noch nicht!
SLVN-Fazit zur Schulinspektion:
Die Niedersächsische Schulinspektion auf der Basis des Orientierungsrahmens ist ein ausgefeiltes externes Evaluationsinstrument. Es gibt zurzeit kein besseres.
Helga Akkermann, Vorsitzende