Start in ein Schuljahr mit besonderen Herausforderungen

Hannover, 24. August 2020

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir hoffen sehr, dass Sie sich in den letzten Wochen nach den Herausforderungen der Corona-Pandemie Zeiträume der Muße und Erholung nehmen konnten! Viele von uns, so war es in zahlreichen Rückmeldungen Ihrerseits zu lesen, waren im Juli 2020 an ihrer Belastungsgrenze angekommen und haben sich bis zuletzt in keiner Weise geschont. Einige von Ihnen gehörten selbst der Risikogruppe an und haben dennoch „ihre“ Schulen nicht im Stich gelassen; im Gegenteil: Beim Einsatz für unsere Schulgemeinschaft haben wir Schulleitungen viel Kreativität gezeigt und Kraft investiert, z. B. bei der Durchführung der Vergabe der Abschlusszeugnissen etc.. Hierfür haben wir seitens der Landesregierung Wertschätzung erhalten; diese hätte aber durchaus üppiger ausfallen dürfen.

Nun naht der Beginn des neuen Schuljahres 2020/21 und es wirft seine Schatten schon voraus: Die erarbeiteten Konzepte und Hygienepläne, die wir in den Sommerferien erhalten haben, bezeugen eine deutliche Kraftanstrengung der politisch Handelnden: Viele pragmatische Ansätze sollen allen Schüler*innen die Teilhabe an Bildung wieder in weitgehend vollem Umfang ermöglichen. Dennoch bleibt gerade das Szenario A eine Herausforderung für die Schulen und somit auch insbesondere für die Schulleitungen, die ja die Gesamtverantwortung tragen.

Die Vorgabe, die Entscheidungskompetenz über die Szenarienwechsel den Gesundheitsämtern zu überlassen, ist sicher eine zielführende Idee und nimmt uns Schulleiter*innen aus der direkten „Schusslinie“. Doch sichergestellt muss sein, dass die Entwicklung der Fallzahlen lokal genau überprüft und dass dann schnell gehandelt wird. Und es muss sichergestellt sein, dass die Gesundheitsämter personell gut aufgestellt sind und dass der Dialog mit den Schulleitungen gelingt.

Die Zusammenarbeit mit den Schulträgern gelingt in Niedersachsen weiterhin regional ganz unterschiedlich: Neben positiven Beispielen und Entwicklungen berichten uns viele Schulleitungen nach wie vor davon, dass z. B. bereitstehende Mittel aus dem Digitalpakt nicht abgerufen werden, dass es noch nicht gelungen ist, alle bedürftigen Schüler*innen unentgeltlich mit einem digitalen Endgerät auszustatten bzw. die Schulleitungen bei der Beschaffung von Seife, Desinfektionsmitteln etc. allein gelassen werden. Hier fordert der SLVN weiterhin eine schnellere Umsetzung und mehr Engagement seitens der Schulträger.

Angesichts der Vorgaben des neuen Hygiene-Rahmenplans wird deutlich, dass der Teufel im Detail steckt: Was nutzt z. B. eine Trennung nach Kohorten, wenn diese dann im Hort keine Rolle mehr spielt und ganz unterschiedliche Kohorten-Schüler*innen aufeinandertreffen? Was wird mit den Lüftungen der Räume in kalten Tagen? Wie soll das nach wie vor geltende Abstandsgebot bei den Lehrkräften im beengten Klassenraum mit voller Klassenstärke real praktiziert werden? Sorgen bereiten uns auch die Reiserückkehrer aus Risikogebieten. Welche diesbezüglichen Handlungsoptionen haben wir? Hier bedarf es aus Sicht des SLVN klarer Vorgaben des MKs und der NLSchB. Das Risiko einer Ansteckung mit dem COVID-19-Virus an der eigenen Schule muss frühzeitig erkannt bzw. minimiert werden, z.B. durch schnelle Quarantänemaßnahmen, Nachweise von Negativ-Testungen u.a.. Die Verantwortung dabei kann nicht auf den Schultern der Schulleitungen lasten.

Der juristische Vorstoß in den Sommerferien, Bußgelder für Schulleitungen bei Verstößen gegen die Corona-Verordnungen zu erheben, hat uns nicht nur aufgeschreckt, sondern massiv geärgert. Die umgehende scharfe Reaktion des SLVN und wenig später erfolgte Rücknahme der Verordnung hat gezeigt, dass die Arbeit unseres Verbandes von Seiten der politisch Verantwortlichen ernst genommen wird und Wirkung zeigt. Dennoch sind wir besorgt über die erneut in der politischen Öffentlichkeit gezeigte Geisteshaltung gegenüber Schulleitungen, die wir im SLVN schon lange kennen: Schulleiter*innen werden als Sündenböcke deklariert. In dieser Haltung zeigt sich genau das Gegenteil von Wertschätzung, ein mangelndes Vertrauen in die gewissenhafte und verantwortungsvolle Arbeit von Schulleitungen. Gerade in Zeiten, wo Schulleitungen dringend gesucht werden, ist ein solches Vorgehen nicht nur kontraproduktiv, sondern unverantwortlich.
Wir werden dies nicht länger ertragen. Wir werden am Ball bleiben und nicht nachlassen kritisch nachzufragen, um derartige Regelungen und Entwicklungen zu verhindern. Wir werden nicht müde werden, unseren langjährigen Forderungen bzgl. eines eigenen Berufsbildes und einer eigenen Personalvertretung für Schulleitungen weiterhin Ausdruck zu verleihen! Die dringende Notwendigkeit dafür hat Corona „an den Tag gebracht“ dank Ihrer vielen Rückmeldungen unter corona@slvn.de. Es kann nicht länger verschwiegen werden: Schulleitungen sind und bleiben systemrelevant!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir empfehlen Ihnen, das kommende Schuljahr 2020/21 auch unter der Prämisse „Weniger ist mehr“ zu planen. Wichtig ist unseres Erachtens eine Konzentration auf den Pflichtunterricht nach den Möglichkeiten der gegebenen Unterrichtsversorgung: Alles andere darüber hinaus ist „Kür“! Wir denken hier z.B. an die notwendige Streichung von Ganztagsangeboten im AG-Bereich – gerade angesichts fehlender Lehrerstunden, die einerseits aus der ohnehin schon schlechten allgemeinen Unterrichtsversorgung, andererseits aus dem Fehlen der nunmehr Attest pflichtigen vulnerablen Kolleg*innen resultieren. Prüfen Sie auch die Umsetzung der Vorgaben vor den Möglichkeiten Ihrer Räumlichkeiten und haben Sie ggf. den „Mut zur Lücke“! Hier erwarten wir weiterhin die klare Rückendeckung und das Vertrauen des Kultusministers in unsere Arbeit, in unser Schulleitungshandeln und unsere Leitungskompetenz.

Es grüßen Sie herzlich und wünschen Ihnen alles Gute zum Start in das neue Schuljahr!

Andrea Kunkel | Katharina Badenhop | Stephan Lindhorst | René Mounajed