Minister Althusmann über die NSchI

Minister Dr. Althusmann anlässlich der gemeinsamen Sitzung von Beirat, Steuergruppe und Arbeitsgruppen im Vorhaben
„Weiterentwicklung der Schulinspektion“
17.12.2010, 11.00 Uhr
Es gilt das gesprochene Wort
Anrede, Begrüßung …
(I) Bilanz nach fünf Jahren Praxis der Schulinspektion
Mit der Errichtung der Niedersächsischen Schulinspektion im Jahr 2005 hat Niedersachsen ein Signal gesetzt: Wir wollen genau hinsehen, wie es um die Qualität in unseren Schulen bestellt ist. Und wir wollen den Schulen dieses Wissen zur Verfügung stellen, damit sie sich zielgerichtet weiter entwickeln können.
Nun sind fünf Jahre Praxis ins Land gegangen. Damit ist es Zeit für eine Zwischenbilanz. Wir können feststellen:
Die Entscheidung für die Schulinspektion war richtig. Inzwischen sind ihr längst alle Bundesländer gefolgt.

  • Sie hat uns zu Erkenntnissen verholfen, wo voher nur Vermutungen waren.
  • Sie hat ihre Arbeit evaluiert und bewiesen, dass sie die Professionalisierung der Inspektorinnen und Inspektoren ernst nimmt.
  • Sie hat nach anfänglichem Zögern viel Akzeptanz von den Schulen erfahren.
  • Sie ist ein zentrales Element des Systems der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung der eigenverantwortlichen Schule.
  • Sie hat einen anderen Blick auf die Schule als die klassische Schulaufsicht und nimmt ihre Aufgaben getrennt von ihr wahr.

Daran wird sich im Grundsatz nichts ändern.
Sie werden nun fragen: Wenn doch alles so gut ist, warum soll es dann geändert werden? Gilt nicht auch hier das Prinzip „Never change a winning team“?
Nun, auch wenn das Prinzip richtig war und bleibt, so müssen wir doch die inzwischen gewonnenen Erkenntnisse und die Rückmeldungen aller an der Schulinspektion Beteiligten ernst nehmen. So höre ich:

  • Schulen fühlten sich in hohem Maße belastet.
  • Ihre Erkenntnisse im Rahmen der Selbstevaluation werden von der externen Inspektion bisher nicht aufgegriffen.
  • Die Ergebnisse von Leistungstests und Inspektion stehen bisher unverbunden nebeneinander.
  • Daten, die wir längst kennen, bleiben bisher ungenutzt für die Schulentwicklung.
  • Das Besondere der Schulformen wird zu wenig berücksichtigt.
  • Wir erfahren zu wenig über die Art der Umsetzung bildungspolitischer Vorgaben in den Schulen.
  • Ein spezifisches Erkenntnisinteresse kann durch die bisherigen standardisierten Verfahren nicht bedient werden.

Grund genug also, neu nachzudenken – zumal das Konzept der Schulinspektion auch denneuen Anforderungen angepasst werden muss, die sich auch aus der Zusammenführung von NiLS und NSchI zum Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) ergeben.
Da wollen wir gründlich sein und die Gelegenheit wahrnehmen, über Inhalte, Organisation und nicht zuletzt über Synergien hinsichtlich der personellen Ausstattung des neuen Instituts nachzudenken, wenn Aufgaben und Ressourcen für die Qualitätsentwicklung dort konzentriert werden.
Grundsätzlich gilt weiterhin:

  1. Die Inspektion bleibt eingebunden in das Verantwortungsgefüge von Eigenverantwortlicher Schule, Unterstützung und Schulaufsicht.
  2. Die Inspektion stellt der Landesregierung Daten und Informationen über die Qualität des niedersächsischen Schulwesens insgesamt zu Verfügung. Dabei können schwerpunktmäßig wechselnde Aspekte und/oder Schulformen im Vordergrund stehen.
  3. Die Inspektion dient zudem als externe Evaluation auch der Einzelschule unter Berücksichtigung ihrer schulformspezifischen Besonderheiten. Die Ergebnisse der Schulinspektion sind Basis der schulischen Ziele und Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung.

Aber: Die für alle Schulen in regelmäßigen Intervallen nach einem für alle gültigen umfassenden Katalog an Qualitätskriterien durchgeführte externe Evaluation wird es so nicht mehr geben.
(II) Wie soll die Schulinspektion in Niedersachsen zukünftig arbeiten?
Wir wollen (1.) zukünftig eine Inspektion, die Schulen entsprechend einem spezifischen Erkenntnisinteresse – also „anlassbezogen“ – bewerten kann und sie durch das Verfahren nicht mehr als unbedingt erforderlich belastet. Dies wird der Schwerpunkt zukünftiger Inspektionsarbeit sein.
Bei den anlassbezogenen Inspektionen wird in der Regel ein jeweils neu zu definierendes Erkenntnisinteresse im Vordergrund stehen – das wird durch die Landesregierung bzw. das Kultusministerium definiert, aber möglicherweise werden auch in der NLSchB bzw. in dem neuen Institut selbst Hinweise auf wichtige Fragestellungen entwickelt. Dies wird noch zu klären sein.
Was könnten solche Fragestellungen sein?
In den letzten Jahren haben Schulen nicht nur in Niedersachsen zahlreiche neue Ansprüche in ihre Ziele und alltäglichen Abläufe integrieren müssen. Dabei haben wir sie unterstützt, aber sicherlich zu wenig gefragt, wie die Umsetzung gelungen ist. So haben wir bisher nicht immer genug Wert darauf gelegt zu wissen, wie die Schulen mit den verschiedenen bildungspolitischen Vorgaben – z. B. mit den Kerncurricula – umgegangen sind. Eine solche einzelne Fragestellung könnte Anlass für eine Inspektion sein. Natürlich müsste sie unterlegt sein durch entsprechende an die Schulform angepasste Bobachtungsbögen.
Die Ergebnisse könnten ein Signal sein, die Unterstützung in diesem Punkt zu verstärken. Interessant wäre es z. B. auch zu wissen, wie die Schule als Ganze auf die Ergebnisse der Vergleichsarbeiten reagiert hat.
Wenn ich hier zwei Beispiele aus dem Bereich des Unterrichts genannt habe, dann ist das nicht zufällig erfolgt, denn wir wollen (2.) zukünftig den Unterricht als Kerngeschäft von Schule und Ziel aller schulischen Qualitätsentwicklung stärker in den Fokus der Schulinspektion rücken.
Dabei wird der bisherige, system- und damit schulformübergreifend formulierte Katalog der Qualitätskriterien überarbeitet werden müssen.
Mit einer zielgerichteten Reflexion der Kriterien zur Unterrichtsbeobachtung werden die Unterschiede in den Zielen und Arbeitsweisen der verschiedenen Schulformen deutlich stärker als bisher ihren Niederschlag finden. Dazu gehören z. B. die Wissenschaftsorientierung des Gymnasiums ebenso wie die Besonderheiten der Berufsorientierung in Haupt- und Realschulen und in den künftigen Oberschulen.
Zugleich werden sicherlich auch weiterhin fachübergreifende Kriterien, beispielsweise die Kompetenzorientierung im Unterricht, zu bewerten sein.
Das Wissen um Ergebnisse ist allerdings kein Selbstzweck. Deshalb ist es mir wichtig, dass (3.) auch anlassbezogene Inspektionen zugleich einen unmittelbaren Impuls für die Qualitätsentwicklung der jeweiligen Einzelschule bieten – eben weil sie auf Basis jeweils valider und transparenter Erhebungs- und Beobachtungskriterien erfolgen.
Zugleich wollen wir (4.) das Inspektionsverfahren verschlanken und entbürokratisieren.
Deshalb wird das zukünftige Inspektionsverfahren proportional angelegt sein. Das bedeutet, zunächst eine gestufte Datenanalyse zu einer Fragestellung vorzunehmen und aus den Ergebnissen die dann tatsächlich vor Ort (zu dieser Frage, nicht umfassend!) zu inspizierenden Schulen zu ermitteln. Damit erhält die Analyse schulischer (Qualitäts-) Daten im Vorfeld einer Vor-Ort-Inspektion einen besonderen Stellenwert.
Wir müssen deshalb klären, welche Daten gebraucht werden, um die Qualität der Einzelschule zu beschreiben, und wie Lehrer-, Schüler- und weitere Schuldaten im Rahmen der regelmäßigen Statistiktermine zentral erfasst werden können, ohne dass ständig neue Einzelabfragen von den Schulen gefordert werden. Ein solcher Datenpool müsste als Service für die Schulen, die Schulaufsicht, MK und die Schulinspektion bereit stehen.
Zur proportionalen Inspektion gehört auch, dass sie die Entwicklungen in den Schulen berücksichtigt, die aufgrund der ersten Inspektion und der Selbstevaluation eingeleitet wurden – wir fangen ja nicht wieder bei Null an. Dazu muss sie den Entwicklungsstand der Schulen anhand ihrer Dokumentation der Prozesse erkennen können. Sie kann dann die Bewertung der ersten Inspektion in eine Relation zum Erreichten setzen und entscheiden, was sie darüber hinaus in den Blick nehmen muss – mit der Folge, dass die Inspektion Verfahren entwickeln muss, die sowohl flexibel genug sind, um unterschiedlichen Situationen gerecht werden zu können als auch soweit standardisiert sind, dass ihre Erkenntnisse vergleichbar sind.
Schulinspektion als Serviceleistung für die Schulen
Wir haben inzwischen Rückmeldungen von Schulen erhalten, die sich nach der erfolgten ersten Inspektion auf einen konsequenten Weg der Qualitätsentwicklung gemacht haben und nun gern erfahren möchten, wo sie stehen, um daraus Schlüsse für die Fortsetzung ihrer Qualitätsentwicklungsarbeit zu ziehen.
Deshalb ist zu überlegen, ob wir zur Unterstützung der eigenverantwortlichen Qualitätsentwicklung einzelner Schulen (5.) auch weiterhin eine Inspektion nach einem vordefinierten, standardisierten, aber notwendigerweise stärker schulform- und unterrichtsbezogen ausgerichteten Katalog von Qualitätskriterien – oder einzelnen Schwerpunkten daraus – als Angebot vorhalten sollten. Ein solches Angebot könnte weiteren Nutzen für die schulische Qualitätsentwicklung stiften:

  • Möglicherweise wollen wir auch neben dem zukünftigen anlassbezogenen Arbeitsschwerpunkt der Schulinspektion eine Anzahl Schulen nach einer Zufallsauswahl in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen.
  • Eine solche Inspektion böte sich auch an, um z.B. einen „Niedersächsischen Qualitätspreis gute Schule“ ausloben zu können.

Lassen Sie mich noch einen letzten Aspekt ansprechen:
Ein ungelöstes Problem ist das bisher unverbundene Nebeneinander schulischer Leistungsdaten und der Gesamtbewertung schulischer Arbeit.
Wir müssen deshalb Verfahren entwickeln, um die konkreten Ergebnisse der Schule, wiesie sich z. B. in der Qualität der Abschlüsse und in den Abschluss– und Abbrecherquoten spiegeln, mit den Beobachtungen der Schulinspektion verknüpfen zu können.
Damit wäre auch zu überlegen, ob Schulen mit erheblichem Entwicklungsbedarf wie in den Niederlanden als „Risikoschulen“ identifiziert werden sollen, damit diese rechtzeitig Impulse zur Qualitätsentwicklung durch die Inspektion erhalten. Insgesamt müssen wir damit (6.) die Frage der Wirkung von Schulinspektion im Sinne von Qualitätsentwicklung viel stärker als bisher in den Blick nehmen. Dazu gehört vor allem auch, die Instrumente des niedersächsischen Qualitätskonzepts in ihrer wechselseitigen Abstimmung weiter zu optimieren. So müssen wir prüfen, inwieweit veränderte Inspektionsverfahren mit den Qualitätsbereichen des Orientierungsrahmens abgestimmt sind, der im Übrigen ebenfalls auf Ebene der Kriterien verändert werden wird.
Dabei wollen wir die Anregungen der letzten Jahre aus den Schulen und den Schulbehörden und die Hinweise der Wissenschaft aufnehmen, ohne die Handhabbarkeit des Instruments aufzugeben. Insbesondere aber werden wir die Aussagen zur Qualität des Unterrichts, die im Rahmen der Inspektion, der Fachberatung, der Schulentwicklungsberatung und der Schulleitungsqualifizierung durchaus unterschiedlich gehandhabt werden, synchronisieren müssen – damit die Schulen wissen, was wir von ihnen erwarten.
(III) Einführung in die Organisation der konzeptionellen Arbeit
Anrede
Die in der Zielsetzung beschrieben Verfahren neu zu entwickeln, ist kein leichtes Unterfangen, dessen bin ich mir bewusst. Es gilt, eine Vielzahl von Einzelfragen zu erörtern und zu klären. Ich möchte deshalb die Arbeit auf viele Schultern verteilen:
Die fachliche Gesamtverantwortung für die Erarbeitung eines neuen Inspektionskonzepts habe ich einer Steuergruppe unter der Leitung von Herrn Hoffmeister, Leiter der Abteilung 2 im MK, übertragen. Mitglieder dieser Steuergruppe sind alle Abteilungsleiter meines Hauses sowie die Präsidenten der Landesschulbehörde und der bisherigen Niedersächsischen Schulinspektion bzw. deren Vertreter im Amt. Die Geschäftsführung der Steuergruppe hat Frau Minderop als derzeit vertretende Referatsleiterin 25. Die konkrete Erarbeitung von Vorschlägen zu den von mir genannten Aspekten wird in fachlich besetzten Arbeitsgruppen erfolgen, die von der Steuergruppe nach eigenem Ermessen eingesetzt werden und von dieser auch ihre Arbeitsaufträge erhalten. Dies ist bereits erfolgt, Herr Hoffmeister wird Sie im Anschluss hierzu informieren. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen werden in der Steuergruppe diskutiert, bewertet und zusammengefasst.
Und schließlich möchte ich, wie Sie es von mir ja inzwischen kennen, auch das schulischpolitische Umfeld frühzeitig in die Diskussion einbinden, um möglichst einen Konsens auch im Hinblick auf die zukünftigen Inspektionsverfahren zu erreichen. Deshalb habe ich einen Beirat aus Eltern, Schülern, Schulpraktikern und Verbandsvertretern berufen. Sie bitte ich, zu den Zwischenergebnissen der fachlichen Arbeit und zum Abschlussbericht Stellung zu nehmen. Wichtig ist mir, dass die Anregungen der Mitglieder des Beirats in Ihren Stellungnahmen deutlich werden. Soweit sie im abschließenden Bericht keine Berücksichtigung finden, werde ich jede einzelne würdigen.
Auch für den Beirat ist Frau Minderop die Ansprechpartnerin.
Anrede
Der Zeitplan für unser Entwicklungsvorhaben, den wir uns gesetzt haben und über den Sie Frau Minderop gleich noch informieren wird, ist sportlich. Ich bedanke mich deshalb für Ihre Bereitschaft, an diesem Vorhaben mitzuarbeiten, wünsche den Mitgliedern der Steuergruppe, der Arbeitsgruppen und des Beirates einen höchst konstruktiven und zufrieden stellenden Verlauf der Arbeit und erwarte mit Spannung Ihre Ergebnisse.