Ganztagsschulen mit Qualität statt Etikettenschwindel

Pressemitteilung

1. Anforderungen an ein qualitativ hochwertiges Bildungsangebot  
Die Erkenntnisse aus den PISA – Studien zeigen, dass mit der derzeitigen Stundentafel von max. 6 Unterrichtsstunden täglich das Lernspektrum und die Lernkultur der Schüler und Schülerinnen in Blick auf die gesellschaftlichen Anforderungen nicht ausreichend erweitert werden kann. Die Erziehungshilfen und Anleitungen zum richtigen Lernen, zur aktiven und sinnvollen Freizeitnutzung, die in den Familien gegeben werden sollten, sind im Ausmaß und in der Art so unterschiedlich, dass man nicht mehr von gleichen Start- und Bildungschancen sprechen kann. Diese unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler werden, wie die Ergebnisse verschiedener Studien zeigen, zurzeit nur unzureichend berücksichtigt. 
Aufgabe der Gesellschaft, vor allem aber der Bildungspolitik, ist es daher, für gleiche Bildungschancen für alle Sorge zu tragen. Die erforderliche individuelle Förderung und Forderung durch ein differenzierendes breites Lern- und sinnvolles Freizeitangebot muss sichergestellt werden. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund der Umsetzung von Inklusion an allen niedersächsischen Schulen, spätestens zum Schuljahr 2013.
Eine Ganztagsschule in gebundener Form erhöht die Bildungschancen sowie die Ausbildungs- und Berufswahlreife aller Schülerinnen und Schüler, insbesondere der Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Familien. Sie bietet mehr Zeit, mehr Lernzeit für den einzelnen Schüler durch Zeit für

  • Arbeits- und Übungsstunden und Förder- und Forderangebote
  • Verfügungsstunden
  • offenen, prozess- und kompetenzorientierten Unterricht und projektorientiertes Arbeiten
  • Angebote an zusätzlichen Aktivitäten zur Entwicklung persönlicher Interessen und Neigungen und zum Ausbau persönlicher Stärken
  • eine aktive Mitgestaltung des Schullebens und die Wahrnehmung von personaler und gesellschaftlicher Verantwortung.

Mit der Verteilung des Unterrichts auf den ganzen Tag wird das Lernspektrum für die Schüler und Schülerinnen erweitert und Raum für selbstständiges und auch projektorientiertes Lernen geschaffen.
In ländlich strukturierten Gebieten mit Schulen mit großem Einzugsgebiet und nicht ausreichenden öffentlichen Verkehrsmittel zwischen den einzelnen Ortsteilen und Gemeinden sowie eingeschränktem Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche ermöglicht ein verbindlicher Ganztagsbetrieb den Aufbau von Lernpartnerschaften, den Ausbau von sozialen Kontakten und die Wahrnehmung eines sinnvollen Freizeitangebots.
Für Lehrerinnen und Lehrer ist es im gebundenen Ganztagsbetrieb darüber hinaus wesentlich leichter, die Rolle als Lernmoderator im Lernprozess zu übernehmen, die Schüler zu „begleiten“ und sie besser kennenzulernen – eine wichtige Basis für die Schaffung einer neuen Lernkultur.
Eltern ermöglichen Ganztagsschulen die Vereinbarkeit zwischen Familien und Berufstätigkeit.
 
2. Anforderungen an ein qualitativ hochwertiges Ganztagsangebot 
Voraussetzung für die Umsetzung eines qualitativ hochwertigen Ganztagsangebots an Ganztagsschulen ist:

  • ein Ganztagsangebot an 4 Tagen pro Woche von 7 – 8 Zeitstunden, wobei ein verbindliches, gebundenes Ganztagsangebot an mindestens zwei Tagen pro Woche durch ein freiwilliges pädagogisches Angebot ergänzt werden sollte
  • eine pädagogisch sinnvolle Rhythmisierung des Ganztages:
    Ruhe- und Bewegungsangebote, Phasen eigenverantwortlichen Lernens, Förder- und Forderangebote sowie neigungs- und interessenorientierte Angebote
  • ein didaktisches Konzept, das die Ganztagsangebote und den Pflicht- sowie den Wahlpflichtunterricht aufeinander abstimmt
  • alle Angebote werden von Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften verantwortet und die Zusatzangebote (z.B. neigungs- und interessenorientierte Freizeitangebote im musischen, sportlichen, künstlerischen Bereich) zusätzlich durch außerschulische Fachleute begleitet
  • die personelle Kontinuität, um eine pädagogisch nachhaltige Arbeit und Zusammenarbeit mit Schülern und Kollegen zu ermöglichen; d. h. Schulleiterinnen und Schulleiter müssen bei den außerschulischen Fachleuten auf entsprechende Vertragsformen zurückgreifen können und Rechtssicherheit haben
  • das Angebot eines Mittagessens  gem. den Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung
  • ein Raumkonzept, das eine Mensa, Ruhe- und Bewegungsräume, Freizeiträume, Räume für Differenzierungsmaßnahmen, Förder- und Forderangebote sowie zusätzliche Angebote aus dem Bereich der sinnvollen Freizeitgestaltung bereit hält.

 
3. Forderungen des SLVN

  1. Genehmigungsfähigkeit von gebundenen, teilweise offenen oder offenen Ganztagsschulen.
  2. Genehmigungsfähigkeit für alle Schulformen, d. h. keine Bevorzugung bestimmter Schulformen wie zurzeit der Oberschule.
  3. Ganztagsschulen müssen ihr Angebot gemäß dem Erlass „Die öffentliche Ganztagsschule“ selbst gestalten und ein an den Pflicht- und Wahlpflichtunterricht angebundenes verpflichtendes Kernangebot durch ein Zusatzangebote (z.B. neigungs- und interessenorientierte Freizeitangebote im musischen, sportlichen, künstlerischen Bereich) ergänzen können.
  4. Alle Ganztagsschulen müssen entsprechend der Anzahl der Ganztage und Teilnehmer gem. dem Erlass „Klassenbildung und Lehrerstundenzuweisung an allgemein bildenden Schulen“ mit dem vollen Ganztagszuschlag und Lehrerstunden ausgestattet werden.
    Für Zusatzangebote muss es eine Finanzhilfe des Landes in Höhe von 20 % der Personalkosten geben.
  5. Der im Klassenbildungserlass vorgesehen Ganztagszuschlag von 0,08 Stunden pro Schüler pro Tag muss so erhöht werden, das die Bildung von Lerngruppen mit halber Klassenstärke ermöglicht wird, da Ganztagsangebote wie z.B. Förder- und Forderstunden nur effektiv sind, wenn sie in halber Klassenstärke durchgeführt werden. Außerunterrichtliche Zusatzangebote sind teilweise auf Fachräume, wie z.B. die Küche, den Werkraum oder den Computerraum angewiesen, die nur für halbe Klassenstärken zugelassen sind.
  6. Außerschulische Mitarbeiter müssen in die Sollstundenberechnung mit einbezogen werden.
  7. Im Rahmen ihrer Eigenverantwortung wählen die Schulen geeignete außerschulische Fachkräfte aus, für den Abschluss und die Verwaltung von Verträgen müssen jedoch Fachleute der Landesschulbehörde verwaltungs- und arbeitsrechtlich verantwortlich sein.