SLVN Herbsttagung 2014 – Rede der Vorsitzenden

Rede der Vorsitzenden
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
als Sie unsere Einladung erhalten haben, wird der eine oder andere von ihnen gedacht haben: Schon wieder „Inklusion“. Kein Wunder, Inklusion ist spätestens seit der Ratifizierung der UN Behindertenrechtskonvention 2009 das zentrale Thema im Bildungsbereich.
Wir sagen: Gut so! Inklusion ist ein Menschenrecht und ein Thema, das uns alle angeht!
Und dennoch ist das Thema leider für den einen oder anderen unter uns mittlerweile negativ besetzt. Wir sagen dennoch nach wie vor: Inklusive Schule ist nicht nur ein Menschenrecht – sie birgt auch Chancen für unsere Schulentwicklung. Daher waren wir mutig und haben „Inklusion“ noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt.
Schließlich ist „Inklusion“ das Megathema, das uns in unserer Leitungsfunktion und pädagogischen Kompetenz nachhaltig herausfordert: nämlich ein Umgang mit Heterogenität, bei dem wir allen, auch uns selbst und den uns anvertrauten Kolleginnen und Kollegen gerecht werden müssen.
Als Schulleitungen werden wir immer wieder als die zentrale Gelingensbedingung des Prozesses „inklusive Schule“ genannt. Kompliment oder schnelle Übertragung von ungeliebter Verantwortlichkeit? Verantwortung für etwas, für das wir allein die Verantwortung nicht übernehmen können. Denn: Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe!
Schulleitungen unterstützen die Umsetzung von Inklusion in Niedersachsen von Anfang an durch kompetentes, verantwortungsvolles und umsichtiges Führungs- und Leitungshandeln in den Schulen. Schließlich tragen wir die Verantwortung dafür, ob es gelingt, jedem Schüler – ob leistungsstark oder mit einem sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf – gerecht zu werden.
Unser Traum: Als Schulleitungen können wir jedem Lehrer und jedem Schüler die erforderlichen Rahmenbedingungen und Ressourcen zur individuellen Förderung zur Verfügung stellen.
Unsere Wirklichkeit: Nach dem ersten Jahr der Umsetzung von Inklusion sehen sich Schulleitungen und Schulen noch immer mit ungeklärten Rahmenbedingungen und nicht gesicherten Ressourcen konfrontiert. Beides führt zu einer Überforderung von Kollegien und Schulleitungen. Als Folge droht sich die positive Haltung zur Inklusion ins Gegenteil zu verkehren. Es gilt also die „Baustellen“ schnellstmöglich abzubauen.
Werfen wir einen Blick auf einige dieser „Baustellen“, die von Ihnen schon vor einem Jahr im Zusammenhang mit Inklusion auf Metaplankarten geschrieben worden sind. Lassen Sie uns schauen, wie weit der Umbau zur inklusiven Schule stattgefunden hat. Lassen Sie mich nur einige Ihrer Fragen der SLVN Herbsttagung 2013 nennen:

  1. Was passiert mit Schulleitern und Ständigen Vertretern bei Auflösung der Förderschulen?
    Welche Bewerbungsmöglichkeiten haben sie?
  2. Wie wird die Arbeitszeit von Förderschulleitern den veränderten Rahmenbedingungen angepasst?
  3. Zu welchen Konditionen arbeiten Leitungen eines Förderzentrums.
  4. Welche Entlastungen von Schulleitungen sind zur Einführung von Inklusion geplant?
  5.  …

Ihre Fragen zeigen vor allem, dass die Politik im Vorfeld zwar Ziele formuliert hat, die Perspektiven für Schulen auf dem Weg dorthin aber nicht transparent aufgezeigt und geklärt worden sind.
Sehr geehrte Damen und Herren, um Inklusion als Zugewinn und nicht als belastende Bürde zu empfinden, brauchen wir „positive pressure“! Besonders in der Anfangsphase brauchen wir klare Perspektiven, erreichbare Zielvorgaben und ein Mehr an Unterstützung! Die Schulleitung allein kann´s nicht richten!
Wir brauchen klare Rahmenvorgaben, transparente Strukturen, ein Mehr an Ressourcen, Unterstützungssysteme und eine gesamtgesellschaftliche Priorisierung inklusiver Werte.
Gelingensbedingungen
1.Klare Rahmenbedingungen
Im Sinne von Orientierung und Unterstützung brauchen wir eine Anpassung der normativen Vorgaben an ein inklusives Schulsystem!
a) Anpassung der Laufbahnverordnung
Auch wenn es mittlerweile Beispiele von Funktionsstellenbesetzungen an Regelschulen durch Kollegen gibt, deren Förderschulen aufgelöst wurden, mahnt der Schulleitungsverband eine einheitliche und transparente Regelung an. Im Sinne einer inklusiven Schule fordert der SLVN nach wie vor:

  1. Die Expertise der Schulleitungen von Förderschulen bzw. –zentren muss in der Schulleitung oder als Schulleitung von Regelschulen genutzt werden können.
  2. Die Bewerbung auf ein höhengleiches Amt muss daher problemlos möglich sein; d.h. ein Konrektor einer Förderschule/eines Förderzentrums mit A 14 muss sich bspw. problemlos auf eine Fachbereichsleiterstelle „Inklusion“ (A 14) an einer Regelschule bewerben können.
  3. Die Expertise von Förderschullehrern muss durch ihre Bewerbungsfähigkeit auch in Funktionsstellen der Regelschulen zum Tragen kommt.Im Sinne der Fürsorgepflicht und der Wertschätzung gegenüber denjenigen, die die Inklusion maßgeblich mit vorangetrieben haben, erwarten wir, dass die weiteren Perspektiven mit den betroffenen Schulleitungen gemeinsam erarbeitet werden. Hier sehen wir insbesondere die Dezernenten der Niedersächsischen Landesschulbehörde in der Pflicht und der Verantwortung.

 
b) Anpassung der Arbeitszeitverordnung
Um Inklusion auch weiterhin als Zugewinn zu begreifen, muss Schulleitungen zur Bewältigung der Aufgaben eine angemessene Leitungszeit zur Verfügung gestellt werden. Gelingt dies nicht, wird die zusätzliche Arbeitsbelastung nur negative Bürde und die positive Grundhaltung droht zu kippen. Die eine Stunde, die Grundschulen – Kleinstsystemen – im Rahmen der Umsetzung des neuen Ganztagserlasses für die Organisation und Kooperation zur Verfügung gestellt wurde, reicht bei weitem nicht aus!
Vor dem Hintergrund der Entwicklung zur inklusiven Schule fordert der SLVN daher noch einmal mit Nachdruck die Einbeziehung des nicht lehrenden Personals in die Bemessung der Leitungszeit und kein Leitungsamt mit weniger als 10 Stunden Leitungszeit! Eine Kollegin bringt es auf den Punkt: „Ich brauche nicht noch mehr Beratung, Fortbildung und Kontrolle, sondern konkrete Entlastung!“ Die Arbeitszeitverordnung muss endlich der Realität angepasst werden!
Ein erster Schritt ist die Ermäßigung der Arbeitszeit von Förderschulleiterinnen und –leitern um 3 Stunden zu diesem Schuljahr. Der SLVN begrüßt dieses Signal! Wir haben aber darauf hingewiesen, dass trotz dieser Ermäßigung die Arbeitszeit der Schulleiterinnen und Schulleiter aufgrund der sinkenden Schülerzahlen an den Förderschulen nicht unbedingt sinkt und sogar höher sein kann. Eine höhere Unterrichtsverpflichtung steht in absolutem Widerspruch zu einem gleichzeitig höheren Koordinationsbedarf für mobile Förderschullehrer. Der SLVN fordert daher, dass sich die Höhe der Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung von Förderschulleitungen an der Anzahl der Lehrerstunden bemisst, die für integrative und inklusive Maßnahmen an andere Schulen abgeordnet werden.
Schließlich müssen die Konditionen für die Leitung und die Aufgaben eines Förderzentrums dringend geklärt werden. Die Expertise von Förderschulleitungen gilt es durch die Leitung von Förderzentren sowohl schulfachlich als auch durch die Wahrnehmung der dienstrechtlichen Befugnisse zu nutzen.
c) Anpassung des Funktionsstellenkegels bzw. Anrechnungsstd.

Zur schulinternen Umsetzung brauchen wir verantwortliche Fachkompetenz und Delegationsstrukturen an allen Schulformen, z.B. über eine Funktionsstelle „Inklusion“.
Und wir brauchen Zeit! Teamzeit zur Erstellung von individuellen Förderplänen und Unterricht, aber auch für die Erstellung von Gutachten und Zeit für Fortbildung.
d) Anpassung des Klassenbildungserlasses
Will ich allen – den leistungsstarken, aber auch den Schülern mit einem sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf, gerecht werden – sind 30 Ss einfach zu viel!
d) Schulgesetznovelle

Und schließlich brauchen wir eine Schulgesetznovelle, die die Umsetzung der inklusiven Schule unterstützt
2. Transparente Strukturen
Fehlende Strukturen gehen immer auf Kosten des Personals an der Basis. Strukturen müssen transparent und eigentlich schon im Vorfeld geklärt sein! Lassen Sie mich nur einige auch im vergangenen Jahr schon genannte Forderungen von Schulleitungen an eine inklusive Schulstruktur in Niedersachsen nennen:
a) Strukturen in der Region

Förderschulen müssen so lange bereit gehalten werden, bis Regelschulen so ausgestattet sind, dass eine qualitativ hochwertige inklusive Bildung für jeden – leistungsstarke Schüler und solche mit einem besonderen Unterstützungbedarf – angeboten werden kann! Auch, wenn dieser Weg vorübergehend teurer ist.Ein regionales Bildungskonzept muss erstellt sein, um die Zusammenarbeit der Schulen – vom Primarbereich bis zu den Berufsbildenden Schulen – und den Einsatz von multiprofessionellen Fachkräften zu koordinieren. Die Rolle, die Zuständigkeit und die Ausstattung von Förderzentren muss bzgl. der dienstrechtlichen Befugnisse und der Sicherstellung der vorhandenen sonderpädagogischen Expertise geklärt sein. Verlässlich muss auch der Einsatz von Förderschullehrern geklärt werden, so dass nachhaltige pädagogische Arbeit gesichert ist.Die Unterstützung durch Dienste des Sozialwesens (Psychologie, Rehabilitationsmedizin, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Sozialdienste) muss gesichert sein.
b) Strukturen in unseren Schulen

Hier suchen wir eigenverantwortlich Wege über eine transparente Organisationsstruktur mit klaren Rollenzuweisungen und einer Stundenverteilung, die die Teambildung und Kooperation fördert. Wir suchen Wege und keine Begründungen! Das wünschen wir uns auch bzgl. der Versorgung mit Ressourcen!
3. Netz von Ressourcen

„Erweiterte Anforderungen bedürfen auch erweiterter Ressourcen!“ Wer inklusive Schulen will, muss auch die Personal- und Sachausstattung an die Vielfalt der Kinder anpassen und sichern!
a) Sicherstellung personeller Ressourcen

Die Sonderpädagogische Grundversorgung mit zwei Förderschullehrerstunden pro Klasse wird bei weitem dem Bedarf nicht gerecht. Für den Unterstützungsbedarf „Lernen“, „Sprache“ und „Emotional Soziale Entwicklung“ müssen bedarfsbezogen weitere Stunden genehmigt werden! Um zieldifferent zu beschulende Schüler besser begleiten zu können, ist grundsätzlich eine weitergehende Doppelbesetzung als dies bisher vorgesehen, erforderlich.
Fachkräfte mit sonderpädagogischer Ausbildung müssen an allen Schulformen – auch den Berufsbildenden Schulen – eingesetzt sein! Im Sinne von multiprofessioneller Teambildung und nachhaltiger Förderung muss die Kontinuität des Einsatzes gesichert sein! An großen Systemen sollte die Einsatzschule auch Stammschule sein.
Fachkräftemangel muss durch eine inklusive praxisnahe Lehrerbildung begegnet werden. Neben dem NLQ bieten die Universitäten mittlerweile gute Angebote. Der SLVN unterstützt die praxisnahen zweijährigen Aufbaustudiengänge in Oldenburg und Hildesheim.
Kontraproduktiv ist in diesem Zusammenhang, dass die Abordnungen von Lehrkräften an die Universitäten kurzfristig auf die Hälfte reduziert und auch nur semesterweise ausgesprochen wurde.
Diese Kürzung ist ein Rückschritt auf dem Weg zur Unterstützung des Praxisbezugs der Lehrerbildung.
Vor dem Hintergrund von Inklusion, Ganztag und Zuwanderung muss jede Schule unabhängig von spezifischen Förderprogrammen wie z.B. das Bildungs- und Teilhabepaket, verlässlich über Schulsozialarbeiter verfügen.
Schulbegleiter müssen Teil dieser multiprofessionellen Teams sein; die Kostenübernahme muss zwischen Land und Kommunke geklärt sein!
Für die Schüler mit dem Unterstützungsbedarf GE und KM hat das Land sicher zu stellen, dass eine ausreichende Anzahl von Pädagogischen Mitarbeitern in unterrichtsbegleitender Funktion zur Verfügung steht.
Vor diesem Hintergrund müssen auch genügend Plätze für die Ausbildung von Beratungslehrern bereit gestellt werden!
Schließlich werden zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen benötigt für:
1. Die Risikogruppe der Schüler, die aufgrund ihrer Herkunft aus migrationsbezogenen und sozialen Benachteiligtenmilieus eine massiv defizitäre Lern- und Leistungsentwicklung aufweist. Zu dieser Risikogruppe gehört ein Fünftel der Jugendlichen (Vergleichsstudien zur Bildungsqualität (TIMSS, PISA, IGLU). Diese Risikogruppe ist häufig nicht erfasst. So lässt sich auch der „Anstieg der Schüler mit besonderen sonderpädagogischen Bedarfen – seit 2009 bundesweit um 10%, in Nds. bis April 6,4% – erklären.
Zusätzlich erfordert die hohe Zuwanderungsquote durch Sprachlernklassen und –programme zusätzliche Ressourcen.
b) Sicherstellung sächlicher Ressourcen
Auch in Schwerpunktschulen fehlt es zurzeit noch an Ausstattung: Differenzierungsräume, Barrierefreiheit, schulspezifische Hilfsmittel (z.B. Therapiebedarf, Pflegemittel) und Technik.
Hier ist der Schulträger gefordert!
4. Unterstützungssysteme

NLQ und Förderzentren für Unterrichtsentwicklung, Beratung und Fortbildung sowie die Dienste des Sozialwesens (Psychologie, Rehabilitationsmedizin, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Sozialdienste, Fachberatung Sehen/Hören) unterstützen die Umsetzung von Inklusion. Die Zusammenarbeit muss weiter ausgebaut werden.
5. Gesamtgesellschaftliche Priorisierung

Mit der Ratifizierung der UN Behindertenrechtskonvention hat sich das Land verpflichtet, die Inklusion umzusetzen. Wenn Schulleitungen die im vorliegenden Referenzrahmen Schulqualität festgehaltenen Qualitätsstandards in ihren Schulen umsetzen sollen, muss gleichzeitig auch gewährleistet sein, dass Land und Kommune im Vorfeld die o.g. erforderlichen Ressourcen verlässlich zur Verfügung stellen! Das bedeutet auch eine Priorisierung bei der Verteilung der Mittel im Landesaushalt! Im Sinne des Ausbaus inklusiver Bildung ist es konsequent, dass die Landesregierung das MK mit einem Haushalt ausstattet, der die Zukunftsoffensive Bildung ermöglicht.Der SLVN begrüßt, dass die Bildungspolitik zurzeit einen Schwerpunkt der Regierungsarbeit in Niedersachsen darstellt. Bis Ende 2017 soll der Kultusetat auf insgesamt 5,3 Milliarden Euro steigen.
Im Mittelpunkt steht dabei das Bildungspaket „Zukunftsoffensive Bildung“ mit 420 Mio Euro.Konsequent ist auch, dass 260 Mio. € bis 2017 in den Ausbau des Ganztags fließen. Der Faktor zur Berechnung des Ganztagszusatzbedarfs wird landesweit von im Durchschnitt 25 % auf 75 % der Ausstattung angehoben. Damit sind erhebliche notwendige Qualitätsverbesserungen erfolgt.Der SLVN begrüßt den neuen Ganztagserlass. Er sichert ein an den Pflichtunterricht angebundenes Ganztagsangebot, die Gleichbehandlung aller Schulformen und eine rechtssichere Vertragsgestaltung.
Dennoch sorgen wir uns um eine Unterfinanzierung des Ganztags. Honorarverträge mussten vielfach durch kostspieligere Arbeitsverträge ersetzt werden und viele Schulen wurden mit Nachzahlungen an die DRV konfrontiert. Die Budgets der betroffenen Schulen wurden mit 1/3 der Nachzahlungen belastet. Auch wenn die Ministerin keine Schule im Regen stehen lassen will, ist die Belastung des jeweiligen Schulbudgets für den SLVN nicht akzeptabel. Die Finanzierung des Ganztags durch eine fehlerhafte Vertragspraxis der Vorgängerregierung hat das Land zu verantworten und darf die Gestaltung des Ganztags in der Gegenwart nicht belasten und schon gar nicht den Schulleitungen zur Last gelegt werden! Das können und wollen wir nicht hinnehmen!Unsere Forderung:
Das Budget muss an die teureren Arbeitsverträge angepasst werden. Wir brauchen ein noch Mehr an Planungssicherheit und Modelle zum Einsatz von Schülern oder auch Rentnern, die keinen Arbeitsvertrag wollen.Im Mai haben sich Bund und Länder darauf geeinigt, wie die im Koalitionsvertrag versprochenen 6 Milliarden Euro für Kitas, Schulen und Hochschulen ausgegeben werden sollen. Die Länder werden dadurch ab 2015 um jährlich 1,17 Milliarden Euro entlastet. Im Gegenzug muss diese Entlastung nun auch den Schulen zugute kommen! Um die Finanzierung nachhaltig zu sichern, muss das Kooperationsverbot aus dem Jahr 2006 zeitnah gekippt werden.
6. Novellierung des Schulgesetzes
Vor dem Hintergrund eines inklusiven Bildungssystems ist die Novellierung des Schulgesetzes konsequent.
„Inklusion lebt von der „guten Mischung“ in heterogenen Lerngruppen, um negative Kompositionseffekte zu vermeiden.“ (WERNING). Wir erwarten, dass die Schulgesetznovelle unterstützende Verbindlichkeit und Struktur auf dem Weg zu einer inklusiven Schule gibt, nicht aber weitere zusätzliche Baustellen, bevor die erste abgeschlossen ist!
Der Umbau unserer Schulen zu inklusiven Schulen und die Gestaltung eines Ganztags, der der Heterogenität unserer Schüler gerecht wird und uns als Umsetzende vor Ort nicht überfordert, sind Megathemen, die es zu bewältigen gilt.
Bitte bedenken Sie, Frau Ministerin, jede Reform ist nur so gut, wie sie an der Basis umgesetzt werden kann. Wir brauchen Zeit und Raum zur Gestaltung! Wir brauchen Ruhe, um all die Aufgaben gut und angemessen bewältigen zu können!
7. Zeit und den Gestaltungsraum

Lassen Sie uns abschließend noch einen Blick auf die Gestaltungsspielräume werfen:
a) Stichwort Budgetverantwortung

Wir sagen „Ja“ zur Budgetierung; zur Führung von Schulgirokonten aber nur dort, wo die Verwaltung geklärt und geregelt ist! Eine kaum zu bewältigende Aufgabe für kleine Systeme ohne Verwaltungsassistenz und Delegationsmöglichkeiten. Wir sagen NEIN zur Führung von Girokonten obendrauf – das wollen und können wir nicht mehr leisten!Wir fordern Land und Kommune auf, die Frage der Verwaltung in der Eigenverantwortlichen Schule endlich zu lösen! Das bedeutet auch die Anpassung der Eingruppierung der Schulverwaltungskräfte an die heutige Schulrealität! Servicestellen sind hilfreich in Blick auf die Beratung, entlasten die Verwaltung aber nicht unbedingt.
b) Stichwort Personalverantwortung

Beispiel BBS: Die von allen Parteien im Landtag mitgetragene Entwicklung der berufsbildenden Schulen zu regionalen Kompetenzzentren wurde Anfang der Sommerferien per Erlass ausgebremst.
Die bislang selbstständig von den berufsbildenden Schulen zu bewirtschaftenden Stellenanteile werden ab sofort zentral durch das Kultusministerium bewirtschaftet. Dabei kommt es zudem zu einer Streichung von 367 Planstellen zum 01. Jan. 2015 und zur Streichung von 360 Planstellen auf drei Jahre verteilt.Vor dem Hintergrund einer durchschnittlichen Unterrichtsversorgung von durchschnittlich 85% an Berufsbildenden Schulen, der demografischen Entwicklung, der Herausforderung von Inklusion, den propagierten Fachkräftemangel und den oft verschoben Start der Arbeitsforen im Bündnis „Duale Berufsausbildung“ wird klar deutlich, dass haushälterische Überlegungen mehr Bedeutung haben als die qualitative Weiterentwicklung beruflicher Bildung. Eine Wertschätzung des berufsschulischen Wirkens ist dieses nicht und sieht m.E. anders aus!Völlig unverständlich ist dies auch deshalb, weil die in den letzten Jahren übertragene Eigenverantwortung und ein verstärktes Qualitätsmanagement in Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft erfolgreich war. Das berufsschulische Wirken in Form des regionalen Kompetenzzentrums hat sich effizient zum Wohle junger Menschen und zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in den und für die jeweiligen Regionen in Niedersachsen entwickelt hat.Zwingend notwendig sind daher Gespräche und eindeutige Signale seitens des Kultusministeriums, um die Entwicklung der berufsbildenden Schulen zu Regionalen Kompetenzzentren und die bisher erbrachten Arbeitsleistungen wertschätzend voranzubringen und nicht den derzeitigen Stillstand zu zementieren.“
c) Stichwort Zeit

Frau Ministerin, Sie hatten im letzten Jahr neue Regelungen zur Altersteilzeit angekündigt. Sie haben Wort gehalten: im Juni wurde das neue Modell zur Altersteilzeit vorgestellt.
Der Schulleitungsverband begrüßt ausdrücklich, dass es auch für Schulleitungen wieder möglich ist, im Blockmodell in Altersteilzeit zu gehen. Kritisch sehen wir allerdings die deutliche finanzielle Verschlechterung zum früheren Blockmodell.
Altes Modell:
Von der gesamten Altersteilzeit mussten die Kolleginnen und Kollegen 50% für 83 % ihres letzten Nettogehaltes arbeiten. 90% wurden auf die Pension angerechnet.
Neues Modell:
Von der gesamten Altersteilzeit müssen 60 % für nur 70 % ihres letzten Nettogehalts arbeiten.
70 % werden auf die Pensionsansprüche angerechnet.
Dies ist das falsche Signal! Hier wünschen wir uns eine Nachbesserung!
Nach wie vor gehen Überlastungsanzeigen ein. Hier muss endlich Abhilfe geschaffen werden!
Schulleitungen sind die wichtigsten Führungskräfte in unserem Bildungsland Niedersachsen.
Ihnen kommt besonders in Zeiten des Wandels und der Instabilität eine Schlüsselfunktion zu. (FULLAN 1999). Das gilt für die Umsetzung von Inklusion und Ganztagsschule, für die Umsetzung von G9 an den Gymnasien, die Reformierung des Übergangsmanagements aber auch für all anderen mit der Schulgesetznovelle verbundenen Herausforderungen! Es war daher auch gut und richtig, die nicht auf Vertrauen aufgebaute Abfrage nach der Arbeitszeit von Schulleitungen sofort wieder zurückzunehmen.
 
Nur gemeinsam mit uns als Schulleitungen kann es gehen! Nur dann kann aus Träumen Realität werden:
„Träume nicht dein Leben – lebe deinen Traum!“ und ich sage schlicht „Formuliert nicht nur Ziele! Schafft die erforderlichen realen Voraussetzungen für eine erfolgreich Umsetzung einer inklusiven Schule!“
In diesem Sinne wünsche ich uns allen gutes Gelingen bei den großen Herausforderungen, die uns täglich begegnen.
Brigitte Naber
(Es gilt das gesprochene Wort)