Herbsttagung des SLVN am 18.09.19 in der Congress Union in Celle

(1) Rede des Vorstands zum Berufsbild Schulleitung

„In unserem Tagungsverlauf ist an genau dieser Stelle notiert: Rede des Vorsitzenden des SLVN Frank Stöber“, mit diesen Worten eröffnete die zweite Vorsitzende, Andrea Kunkel, die diesjährige Herbsttagung in Celle und teilte mit, dass Frank Stöber genau am 18.09.2019 als Büroleiter im Ministerbüro von Kultusminister Tonne seinen Dienst anträte. Das bedeute Veränderung – nicht nur im Hinblick auf den Tagungsablauf, sondern auch für den Verband, der nun in neuer Konstellation die Vorstandsarbeit fortsetzt.

Andrea Kunkel dankte Frank Stöber für seine gute Verbandsarbeit, wünschte ihm für seine neue Wirkungsstätte alles Gute: „Nun hast Du die Chance unsere Vorstellungen, die du gestaltet und geprägt hast, in deinen neuen Arbeitsbereich einfließen zu lassen.“ Im Anschluss würdigte sie die Unterstützung des Ministers in der Auseinandersetzung mit der AFD. In diesem Kontext folgte ein solidarischer Gruß an die Schulleitung der Robert-Bosch-Gesamtschule in Hildesheim, die am Wochenende mit einem groß angelegten „Toleranzfestival“ ein klares Zeichen gegen Rechtspopulismus und Diffamierung setze.

Im Zentrum der Rede des SLVN auf der Herbsttagung, die von Andrea Kunkel als stellvertretende Vorsitzende und Katharina Badenhop, Geschäftsführerin des SLVN, im Dialog gehalten wurde, stand das Thema „Berufsbild Schulleitung“, das in sieben Bereiche – als Tortenstücke – sukzessive präsentiert wurde. Es gehe dabei um den Erwerb von Basiskompetenzen und Qualifikationen für Schulleiter*innen, aber vor allem um Rahmenbedingungen, die Voraussetzungen für gute Schulleitungen sind. Der SLVN biete seine Bereitschaft zur Mitarbeit eines „Berufsbildes Schulleitung“ erneut an. „Als Schulleitungs-Verband, der die Interessen aller niedersächsischen Schulformen vertritt, wissen wir, was Schulleitungen belastet und bewegt und an welcher Stelle wir Unterstützung benötigen.“ Hier seien die wesentlichen Passagen des Rede-Dialogs aufgeführt.

1. „Schulleitungen sind für ihre Aufgaben qualifiziert und bilden sich stetig weiter.“

Wir wollen nicht wie bisher die Fortsetzung des Prinzips „Learning by doing“, sondern Qualifizierung vor der Dienstpostenübertragung, zeit- und praxisnah, effizient und zielführend Der Berufseinstieg wird zurzeit nicht begleitet, z.B. durch praxisnahe Module, Supervision/kollegiale Beratung, QSL-Kurse folgen zu spät. Der SLVN ist initiativ geworden und bietet mit seinem Format „Neu in Leitung“ neuen Schulleitungen die Möglichkeit aus Praxiserfahrungen anderer Schulleiter*innen zu lernen.

Wir fordern eine bessere Vorbereitung auf die vielfältigen Anforderungsbereiche, eine fachlich differenzierte Qualifikation und Weiterbildung als Teil der Arbeitszeit. Der Beruf Schulleitung muss in seinen Aufgaben, Funktionsfeldern und Verantwortungsbereichen klar definiert sein. So wird das Berufsbild berechenbar und attraktiv auch für interessierte, künftige Schulleitungen.

Schulleitungen müssen im Rahmen der Bewerbungsverfahren bei transparenten, kriterienorientierten und zügigen Auswahlentscheidungen uneingeschränkt beteiligt werden.

2. „Schulleitungen handeln im Team.“

Zur Bewältigung der vielfältigen und umfassenden Aufgaben, zur Qualitätsentwicklung ist ein Leitungsteam für jede Schule unabdingbar! Es gibt Schulen, die so professionell arbeiten.

Davon ausgeschlossen sind z.B. kleine Grundschulen sowie z.T. kleine Hauptschulen, in denen der Gesetzgeber keine Stellvertretung vorsieht. Gibt es sie, dann gilt es die Ausstattung in den Blick zu nehmen: Bei einer Unterrichtsverpflichtung von 23 Stunden, inklusive Klassenleitung, bleibt nur sehr wenig bis gar keine Zeit für eine Arbeit im Leitungsteam. Das heißt: Arbeit im Team auf Leitungsebene ist hier systemisch nicht vorgesehen! Das gilt es zu verändern.

3. „Schulleitungen steuern die Qualitätsentwicklung in Schule“.

Die Eigenverantwortliche Schule hat den Schulleitungen Gestaltungsfreiräume eröffnet, die wir kaum nutzen können angesichts des administrativen Wustes an Aufgaben, die von der NLSchB auf die SL übergegangen sind. Das ständige „Mehr – noch oben drauf“ bringt das Fass zum Überlaufen, Kolleg*innen werden gesundheitlich stark beeinträchtigt, fallen ersatzlos und längerfristig mit der Diagnose Burn-out aus. Leitungsaufgaben werden umgehend auf Kollegen oder Ständige Vertreter (dort, wo es sie gibt) verlagert, die ohnehin administrativ stark eingespannt sind und dann erst recht an ihre physischen/psychischen Grenzen kommen. So kann man gewiss niemanden für den Beruf Schulleitung begeistern. Wir fordern eine Verlagerung der administrativen Aufgaben zurück in die NLSchB, damit Schulleiter*innen mehr Freiräume für die Gestaltung ihrer Schule erhalten und Leitungstätigkeit wieder attraktiv wird.

Die eigenverantwortliche Schule hat uns Schulleitungen aber auch gemäß § 43 NSchG die zentrale Aufgabe zugewiesen, Schulqualität und Unterrichtsqualität zu sichern. Wie können wir Unterrichtsqualität sichern – außerhalb der Dienstlichen Beurteilungen – wenn der Zeitrahmen dafür nicht gegeben ist und die eigenen Unterrichtsverpflichtungen keinen Raum lassen? Hinweise hinsichtlich eines mangelnden Zeitmanagement der Schulleitungen sind da wenig hilfreich. Es ist nun mal so: Schulentwicklungsprozesse kosten Zeit. Herr Minister, wo bleiben die Freiräume für uns zum Nachdenken, zum Entwickeln und zum Umsetzen, z.B. wichtiger gesellschafts- und bildungspolitischer Inhalte, wie die von Ihnen sinnvoll initiierten Auftaktveranstaltungen – „Bildung 2040“ oder „Demokratisch gestalten“. Wir fordern mehr Freiräume, um Schule zukunftsfähig zu machen und eigene kreative Ideen zu entwickeln.

4. „Schulleitungen arbeiten mit externen Partnern zusammen und vernetzen sich“.

Wir brauchen Zeit für Zusammenarbeit und Vernetzung, wir brauchen aber auch Zutrauen – das Zutrauen unserer Dienstvorgesetzten und eine wertschätzende Haltung uns Schulleitungen gegenüber.

Eine Beratung muss unbürokratisch, zeitnah und kompetent erfolgen. Eine „Beratung“, die auf Fehler und Defizite ausgerichtet ist, hilft uns nicht. Weder Gängelei noch Misstrauen oder Argwohn, z.B. bei Abwesenheit von Schulleitungen, bei Beantragung von Sonderurlaub, zeigen, dass weder ein Vorschuss an Vertrauen noch ein Zugeständnis existiert hinsichtlich der in das Amt eingebrachten Qualifizierungen, Erfahrungen und Kompetenzen (Wissen, Fähigkeiten und Haltungen). Es fehlt häufig die Überzeugung, dass wir Schulleitungen gute Arbeit machen!

Wir wissen das !!!

5. „Schulleitungen fördern Kommunikation und kommunizieren professionell“.

Erfolgreiche Leitungskompetenz zeigt sich im Gelingen kommunikativer Prozesse mit allen schulischen Akteuren. Interne und externe Kommunikation – ob mit Eltern, Schülern, Kolleg*innen, erfordern ein gutes Zuhören und die Fähigkeit zu Konfliktlösungen, hohe pädagogische und fachliche Kompetenz und Vernetzung z.B. bzgl. Institutionen, Kooperationspartner etc. Kommunikation, Kooperationen, Netzwerkarbeit kosten Zeit und Kraft. Beides ist endlich! Wir fordern kommunikative Prozessbegleitung – wo nötig – und administrative Verfahrensbegrenzung – wo möglich. Dies trägt zur ständigen Professionalisierung und Qualifizierung von Schulleitungen bei und muss im Interesse aller sein.

6. „Schulleitungen benötigen Unterstützung“.

Der Dienstherr ist für die Gesundheit und Unterstützung seiner Schulleiterinnen und Schulleiter verantwortlich und nimmt diese Verantwortung umfassend wahr.

Eine eigene Personalvertretung nimmt die Interessen der Schulleiterinnen und Schulleiter wahr.

Wer vertritt die Interessen unserer Berufsgruppe in innerschulischen Konflikten? Der Schulpersonalrat? Das ist außerordentlich problematisch und kann systemisch nicht funktionieren. Wer vertritt unsere Interessen in Konflikten mit Dezernenten und Dezernentinnen? Im vergangenen Jahr haben wir vom Vorstand des SLVN z.T. Kolleg*innen zu dienstlichen Gesprächen in die NLSchB begleitet, weil es keine Personalvertretung für uns gibt.

Wir fordern eine eigene Personalvertretung für Schulleitungen, die deren Interessen artikuliert und Konfliktlösungsprozesse begleitet.

7. „Schulleitungen brauchen verlässliche Arbeits- und Rahmenbedingungen“.

Wir alle haben in unserem Schulalltag mit Tätigkeiten zu tun, die wir vorher nicht unmittelbar unserem Tätigkeitsfeld zuordnet hätten:Hausmeister-, Putz-, Schließdienste, dazu Bauaufsicht, IT-Administration, Gebäudemanagement, An-/Vermietung, Sanierungs- und Reparaturmaßnahmen, usw. usw. Und: ein kleiner Auszug aus unserem eigentlichen Aufgabenbereich: Gespräche auf allen nur denkbaren Ebenen, mit Schüler*innen, Kolleg*innen, den vielen unterschiedlichen Berufsgruppen an unseren Schulen neben den dienstlichen Aufgaben eines Schulleiters von der Statistik bis zur Schulgirokontoführung, dem Vertragswesen, dem Stellenkampf, sich verschärfenden Abordnungen – und das unabhängig von der Richtung – ob als aufnehmende oder abgebende Schule, in diesem Sommer wieder vermehrt, immer dann wenn die Stundenpläne bereits stehen.

Fürsorgepflicht für Schulleiterinnen und Schulleiter sieht anders aus!

Fazit:

Die Quantität unserer Arbeit ist es also nicht, die umfangreiche, nicht endende Aufgabenbeschreibung ebenso wenig, was uns Schulleitungen werden (und bleiben) lässt, denn der Beruf Schulleitung ist unter den genannten Rahmen- und Arbeitsbedingungen in keiner Weise attraktiv -wie es die Anzahl der offenen SL-Stellen und die mehrmaligen Stellenausschreibungen insbesondere im GS-Bereich widerspiegeln.

Dennoch haben wir immer noch genug Idealismus und sehen die Chancen hinsichtlich der eigenen Gestaltungsmöglichkeiten, der Eigenverantwortlichkeit und lassen uns von Visionen leiten, z.B. wenn es um gute Bildung geht, um die Eröffnung von Bildungschancen, um Bildungsgerechtigkeit und darum, unsere Schüler*innen stark für die Zukunft zu machen.

Dies schließt eine kritische Auseinandersetzung und eine entschiedene Positionierung zu Themen wie Rechtspopulismus und Klimawandel ein, denn Schule bildet Gesellschaft ab und muss sich den globalen Herausforderungen stellen. Die vielschichtigen, hochqualifizierten Herausforderungen, die an uns Schulleitungen gestellt werden, sind ebenso als Anforderungen an die Bildungspolitik zu verstehen, die entsprechende Rahmenbedingungen schaffen und die personellen, finanziellen und sachlichen Ressourcen zur Verfügung stellen muss.

Der Schulleitungsverband Niedersachsen wird an seinen Forderungen festhalten:

  • Unsere Arbeitsbedingungen müssen umgehend den anspruchsvollen, qualifizierten Anforderungen gerecht werden.
  • Die Attraktivität unseres Berufes kann nicht durch kurzfristige Anreize – kommt nach der Dorflehrerprämie die Dorfschulleiterprämie? – gesteigert werden, sondern es bedarf einer umfassenden systemischen Lösung.
  • Die Besoldung von Schulleiterinnen und Schulleitern muss sich von der Besoldung der Lehrkräfte abheben, also kein Schulleitungsamt unter A 14.
  • Die Unterrichtsverpflichtung ist eine untergeordnete Teilaufgabe im Schulleitungshandeln, daraus ergibt sich eine maximale Unterrichtsverpflichtung von 10 Stunden für Schulleiterinnen und Schulleiter.
  • Schulleiter und Schulleiterinnen handeln im Team – keine Schule ohne Stellvertretung. Der Ausbau der multiprofessionellen Teams im Rahmen der inklusiven Schule ist zügig voranzubringen.
  • Geben Sie uns den Freiraum, die Zeit und das Vertrauen Schule qualitativ weiter zu entwickeln!

Um all diese SL-Aufgaben verantwortungsvoll und weiterhin engagiert auszuführen und unseren bildungspolitischen und pädagogischen Auftrag zu erfüllen, brauchen wir verbesserte Rahmenbedingungen und ein klar umrissenes Berufsbild Schulleitung.

Denn starke Schulen brauchen starke Schulleitungen mit einem eigenen Berufsbild.

Wir haben heute den Anfang gemacht. Nun sind Sie dran, Herr Minister!

(2) Rede des Kultusministers G.H. Tonne bei der Herbsttagung 2019 des SLVN

Die anschließende Rede des Kultusministers, Grant Hendrik Tonne, nahm unmittelbar Bezug auf die Rede des SLVN-Vorstandes, auf die Kritik hinsichtlich der Überlastung von Schulleitungen und mangelnder Wertschätzung und befürwortete den Wunsch nach einem eigenen Berufsbild Schulleitung. „Damit verfolgen wir das Ziel, für gesund erhaltende Arbeitsbedingungen zu sorgen, geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu bekommen sowie die Erst- sowie Weiterqualifizierung für Schulleitungen weiter zu entwickeln. In diesem Prozess werden wir uns umfassend ansehen, was Schulleitungsarbeit ausmacht und den Kern von Schulleitung beschreiben. Damit wollen wir auch den Beruf der Schulleiterin oder des Schulleiters von dem einer Lehrkraft abgrenzen und auch Konsequenzen für die dafür notwendigen Ressourcen ziehen.“ In Kürze würde eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die ein Konzept zu den Handlungsfeldern bezogen auf Schulleiter-Handeln entwickeln sollen. Zuvor hatte Minister Tonne den Vorrang von Arbeitszeit-Entlastungsmaßnahmen angesprochen, so die Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung von Schulleiterinnen und Schulleitern an Grundschulen, was mit Verbänden und Lehrergewerkschaft aber weitergehend abgestimmt werden müsse.

Bezüglich der schlechten Unterrichtsversorgung und den fehlenden Lehrkräften an den allgemeinbildenden Schulen, insbesondere an den Grundschulen laut Bertelsmann-Studie, sieht der Minister weniger Probleme: Bei 780 ausscheidenden Lehrer*innen und 1350 Neueinstellungen zum 2. Halbjahr spricht er eher von Fortschritten intensiver Bemühungen. Um dem Lehrermangel an Haupt-, Real- und Oberschulen im ländlichen Raum zu begegnen, wird ein Sonderprogramm „Starke Sek.I – Schulen“ aufgelegt, um neue Anreize für künftige Lehrkräfte zu bieten.

Im Anschluss an seine Rede stellte sich Minister Tonne den Fragen der anwesenden Schulleitungen der verschiedenen Schulformen. In einem 40minütigen Gespräch wurden Problemfelder und Konflikte thematisiert, insbesondere im Zusammenhang mit der Auflösung der NLSchB, die den Minister dazu brachten sich im Namen der Dienstvorgesetzten Behörde zu entschuldigen: Dies sei eine „…Fehlentwicklung und die gilt es aufzuhalten“, so Tonne. Breite Resonanz erhielt er hinsichtlich seiner klaren Haltung zum AFD-Lehrerportal: „Schulen, die sich für Menschenrechte und gegen Rassismus einsetzten, würden auf unverschämte Weise angegangen“ und setzte fort: „Sie haben alles richtig gemacht“.

(s.a. Webseite des Niedersächsischen Kultusministeriums – Aktuelles – Presseinformationen vom 18.09.2019)

(3) Vortrag von Dr. Robin J. Malloy zum Thema: Neuroleadership

Für einen entspannten und interessanten Ausklang der Tagung sorgte der unterhaltsam dargebotene, wissenschaftlich – erkenntnisreiche Vortrag des Gastreferenten Herrn Malloy „Neuroleadership: Menschen führen, inspirieren und begeistern!“ Es gelang dem Referenten wirklich, die Schulleitungen zu begeistern, indem er komplizierte neuropsychologische und -physiologische Vorgänge so anschaulich und klar, humorvoll und spannend darlegte und interdisziplinäre Verknüpfungen zwischen Führung – Gesundheit – Persönlichkeitsstruktur – Pädagogik und Kommunikation herstellte, aus der sich eine „transformative Führungskultur“ plausibel ableitete. Ein durchaus inspirierender, positiv entlastender Moment für viele, die zuvor mit den ungeschminkten Realitäten des Schulleitungshandelns und den Forderungen zu einem eigenen Berufsbild Schulleitung konfrontiert wurden.

Wir freuen uns auf die uns von Ministerseite zugesagten Entwicklungen und Fortschritte im kommenden Jahr, über die dann Rechenschaft abzulegen ist und auf ein Wiedersehen mit den Schulleitungen aller Schulformen bei der SLVN – Herbsttagung 2020.

Für den Vorstand

Katharina Badenhop