Grundschulen an Kultusministerium

04.07.2023

Pressemitteilung

Seit langem erreichen uns zahlreiche Hilferufe aus Grundschulen im ganzen Land, die zunehmend noch lauter werden. Gestandene Schulleitungen berichten, dass sie am Ende ihrer Kräfte sind und überlegen, den Job aufzugeben, um gesund zu bleiben. Lehrkräfte fallen immer häufiger krankheitsbedingt aus oder arbeiten in Teilzeit, um den Anforderungen des Berufs gerecht werden zu können.

Die Situation an den Schulen ist untragbar, es gibt viele Berichte über Probleme, aber außer warmen Worten und Beteuerungen, dass die Grundschulen gerade besonders belastet sind und schnellstmöglich entlastet werden müssen, passiert… NICHT GENUG! Die Prognosen sagen voraus, dass dies erst die Spitze des Eisbergs ist- doch geht es überhaupt noch schlimmer?

Man kann die tägliche Situation einer Grundschulleitung wie folgt zusammenfassen- es sei erwähnt, dass es sich um reale Begebenheiten handelt, nur Namen und Orte wurden weggelassen/ verändert:

Um Viertel nach Sieben ist die Welt noch in Ordnung. Sie beginnt erst zu wackeln, als Annkatrin Mönkemeyer den Anrufbeantworter im Sekretariat ihrer zweizügigen Grundschule abhört. Die Sekretärin arbeitet noch in einer anderen Grundschule und beginnt ihren Arbeitstag erst um 10:00 Uhr. Heute melden sich sechs Kolleginnen krank. Für acht Klassen stehen nur noch zwei Lehrkräfte zur Verfügung. Die Pädagogischen Mitarbeiterinnen stehen für kurzfristige Vertretungseinsätze vertragsgemäß nicht zur Verfügung. Eine ist so freundlich, dennoch aufs Fahrrad zu steigen.

Die Schulleiterin legt jeweils zwei Klassen zusammen. Die vier Großgruppen werden von den beiden verbliebenen Lehrkräften und einer pädagogischen Mitarbeiterin betreut. Bevor Frau Mönkemeyer die vierte Gruppe selbst übernimmt, führt sie noch einen Handwerker in den Heizungsraum. Dafür wäre eigentlich der Hausmeister zuständig. Dieser ist aber gerade an einer anderen Schule im Einsatz.

Auf dem Weg in die Klasse versucht Frau Mönkemeyer noch schnell den Vertretungsplan hochzuladen, scheitert dabei aber an dem zusammenbrechenden WLAN. Endlich kann sie die Klassentür hinter sich schließen. Nach dem Morgenkreis nutzt sie die vorbereiteten Vertretungsmaterialien. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten konzentriert an einer Rechtschreibkartei. Zwei Mädchen bitten Frau Mönkemeyer um ein persönliches Gespräch. Sie vertrauen ihr an, dass sie während des Vormittags nicht mehr trinken, weil die Toiletten ihnen zu schmutzig sind. Die Schulleiterin erinnert den Schulträger in der großen Pause an die seit Wochen ausstehende Grundreinigung.

In der Parallelgruppe wird spontan Sport unterrichtet. Natürlich haben die Kinder kein Sportzeug dabei. Aber die Schule ist vorbereitet: Zwei Klassensätze mit Turnschläppchen stehen zur Verfügung. Nur ein Mädchen weigert sich, Schuhe zu tragen, die schon ein anderes Kind angehabt hat. Der Sportlehrer reagiert verständnisvoll: Das Kind darf sich in der Bücherei ein Buch holen, um am Spielfeldrand zu lesen. Was er nicht weiß: Die Bücherei hat an diesem Tag ebenfalls wegen Personalmangels geschlossen. Das Mädchen traut sich nicht zurück in die Sporthalle und verbringt die Stunde allein in der Pausenhalle. 

Nach Unterrichtsschluss geht bei der Schulleiterin die Mail eines Vaters ein: Er beschwert sich über den mangelnden Informationsfluss zur Vertretungssituation und moniert eine Aufsichtspflichtverletzung durch den Sportlehrer. Bevor sie sich am zweiten Teil des Tages ihren Aufgaben im Büro zuwendet, schreibt Frau Mönkemeyer eine Stellungnahme an die schulfachliche Dezernentin. Mit dieser hat sie einen guten Draht und kann sich auf ihren Rückhalt verlassen.

Gegen Nachmittag schrillt schon wieder das Telefon. Da die Sekretärin sich bereits im wohlverdienten Feierabend befindet, nimmt Frau Mönkemeyer persönlich ab. Es ist die Leitung der Förderschule, die ihr mitteilt, dass noch eine Bewährungsfeststellung für die Förderschullehrkraft, die an die Grundschule von Frau Mönkemeyer abgeordnet ist, geschrieben werden muss- bis in drei Tagen, da man leider übersehen habe, sie zu informieren. Dazu müssen natürlich auch noch Unterrichtsbesuche erfolgen. Da die Kollegin mit der Mehrzahl ihrer Stunden an der GS tätig ist, sei Frau Mönkemeyer dafür zuständig. Dass sie auch nur A13 verdient wie die Kollegin, die sie beurteilen soll, bleibt unerwähnt.

Nachdem auch hier Termine vereinbart wurden, widmet sich Frau Mönkemeyer den Bewerbungslisten für ihre neue Stelle. Leider gibt es keine Bewerber. Kurzerhand macht sich Frau Mönkemeyer in Eigenregie auf die Suche und findet eine Kollegin in Mecklenburg- Vorpommern, die tatsächlich in die ländliche Region von Frau Mönkemeyer möchte, über Grundschulerfahrung verfügt und noch eine Freigabe hat! Endlich hat sie mal Glück! Schnell den Hörer zur Hand genommen, um dem RLSB zu berichten, dass es eine geeignete Kandidatin für die Stelle gibt. Doch dann- Schweigen in der Leitung. Dann eine kurze Antwort: „Schade, die Dame ist nicht bewerbungsfähig für die Stelle, da sie Hauptschullehramt studiert hat.“

Annkatrin Mönkemeyer kann es nicht fassen und fährt nach über 10 Stunden Arbeit frustriert nach Hause. Mal sehen, was der neue Tag morgen bringt.“

Liebe Verantwortliche in Politik und Verwaltung, so darf und kann es nicht länger weitergehen! Schließen Sie nicht länger die Augen- handeln Sie!

Wir fordern weiterhin unverzüglich Entlastungen für Grundschulleitungen und Grundschullehrkräfte, die spürbar sind. Unsere Forderungen aus dem Schreiben vom Februar 2023 bestehen weiterhin:

  • Ein Leitungsteam aus mindestens zwei Personen mit ausreichender Leitungszeit und angemessener Besoldung, hierbei muss das Abstandsgebot endlich eingehalten werden!
  • Qualifizierte Lehrkräfte, die ausschließlich für Unterricht eingesetzt werden!
  • Ausreichend finanzielle Ressourcen zur Einstellung möglichst qualifizierter pädagogischer Mitarbeiter:innen zur Sicherstellung der Betreuung im Rahmen der Verlässlichkeit und des Ganztags sowie für unterrichtsbegleitende Angebote, um Lehrkräfte zu entlasten. 
  • Möglichkeiten des flexiblen Einsatzes des Betreuungspersonals- entsprechend der Erfordernisse vor Ort.
  • Eine Fachkraft für schulische Sozialarbeit an jeder Grundschule und jeder Außenstelle. 
  • Festgelegte Mindeststandards für Ausstattung und Größe der Grundschulen, die eine moderne, inklusive und zukunftsorientierte Bildung unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. René Mounajed | Stephan Lindhorst | Judith Brandes-Bock | Carsten Melchert