Der Letzte macht das Licht aus

Das System Schule steht vor dem Kollaps – Warum es wichtig ist, jetzt umzudenken

Die Ausgangslage
Unter widrigsten Bedingungen – zunächst die Pandemie, ein allgemeiner Lehrkräftemangel, eine schlechte Unterrichtsversorgung in allen Schulformen, nun auch noch die schnelle und unbürokratische Aufnahme und Beschulung zusätzlicher Flüchtlingskinder – leisten die Schulen seit Jahren großartige Arbeit, weit über die Kräfte aller Beteiligten hinaus und stets am absoluten Maximum dessen, was noch geht! Trotz dieser Herausforderungen wird jeden Tag daran gearbeitet, alles möglich zu machen – den Kindern und Jugendlichen zuliebe. Die Politik bekräftigt seit langem, dass dies „gesehen“ werde und bedankt sich für die Kraftanstrengungen und die geleistete Arbeit. Das ist zwar nett, doch zur Abwendung der uns drohenden Systemkrise ist das nicht mutig genug.

Das grundlegende Problem
Das System Schule ist ausgelutscht. Der jahrzehntelange Raubbau an den Schulen macht sich immer deutlicher bemerkbar. Es fehlen jetzt schon zu viele Fachkräfte und Ressourcen an allen Ecken und Enden. Besonders hart trifft dies die Grundschulen, die stets auch noch verlässlich sein müssen und an denen keine Stunden wegfallen dürfen.
Im nächsten Schuljahr 2022/23 wird sich diese prekäre Situation noch einmal weiter verschärfen. In vielen Regionalabteilungen finden gerade Dienstbesprechungen mit Schulleitungen der allgemein bildenden Schulen statt und viele Gespräche werden geführt, wie die Unterrichtsversorgung im nächsten Schuljahr sichergestellt werden kann. Leider ist die Stellenvergabe des MK völlig intransparent:
Wir wissen von Schulen, die eine prognostizierte Unterrichtsversorgung von 88 % haben und sieben Stellen erhalten; an anderer Stelle ist bei einer Unterrichtsversorgung von 87 % keine Stelle in greifbarer Nähe und von 50 benötigten Stellen einer Region dürfen 5 ausgeschrieben werden Die Schulen werden hier bewusst im Dunkeln stehen gelassen, Stellen fallen vom Himmel oder eben auch nicht.

Transparenz und Ehrlichkeit
An allgemein bildenden Schulen es wird massenhaft Abordnungen geben, damit an allen Schulen der Regelunterricht gesichert ist; das wird harte Konsequenzen haben.
Wann fangen wir an, diese Fakten auch mit der Öffentlichkeit ehrlich zu kommunizieren? Die Verlässlichkeit der Grundschulen kann an sehr vielen Standorten unter diesen Rahmenbedingungen nicht länger gewährleistet werden! Förderunterrichte und
Zusatzbedarfe stünden ebenfalls zur Disposition, sollten aber nicht gestrichen werden, wenn Integration und Inklusion ernsthaft umgesetzt werden sollen.
Es stellt sich die Frage, ob wir ausgehend von dieser Situation Schule nicht insgesamt neu denken müssen: Was muss eigentlich wie unterrichtet werden? Wann fangen wir an, Schule zu entrümpeln, wenn nicht jetzt?
Schlussendlich müssen die Schulleitungen mehr Kompetenzen in Bezug auf eine schnelle und unkomplizierte Einstellung erhalten und ihnen die Eigenverantwortung zugetraut werden.

Final cut
Es darf keine „heiligen Kühe“ mehr geben!
Schnellstens muss jetzt ALLES auf den Prüfstand. Gefordert ist eine Politik, die mit den Schulleitungen und mit Bildungsexperten der Universitäten die Lage analysiert, die mutig Entscheidungen trifft und nicht versucht, ein „weiter so“ durchzudrücken, wo es schon lange nicht mehr geht – und die die Problemlage ehrlich nach außen kommuniziert. Sonst machen
bald viele Letzte an vielen Schulen im Land das Licht aus.

Dr. René Mounajed | Judith Brandes-Bock | Stephan Lindhorst | Carsten Melchert
Zeichnung: Dr. Kai Gurski