Entlastung durch Entbürokratisierung: 16 Vorschläge des SLVN
Herbsttagung, 24.10.2024
Dass Schulen von bürokratischen Prozessen massiv, schnell und wirksam entlastet werden müssen, um zu entblockieren, sehen nicht nur Schulleitungen und Lehrkräfte so. Auch die Ministerin, ihr Haus und die nachgeordneten Behörden und das NLQ gehen hier mit. Aber wie bekämpft man eine Dornenhecke? Jeder Schnitt mit der Gartenschere ist selbst auch ein bürokratischer Akt. Auch ein Deregulierungserlass ist ein Erlass.
Frau Ministerin Hamburg hat mit dem Freiräume-Prozess einen Weg eingeschlagen, der auffällig anders daherkommt – als denkbar einfaches Antragswesen, das von den pädagogischen Bedarfen der Schulen ausgeht und damit an die Anfänge der Eigenverantwortlichen Schule anknüpft (NSchG vom 01.08.2007). Die Arbeit mit der Heckenschere könnte dann erfolgreich sein, wenn dieses Mal nicht nur die schulfachlichen Dezernentinnen und Dezernenten, sondern auch jede Sachbearbeiterin und jeder Sachbearbeiter des RLSB versteht, worum es geht. Mehr noch: Klärt, was es für den eigenen Arbeitsbereich bedeutet, zu ermöglichen, statt zu verordnen.

Oder ist das zu optimistisch? Skeptischer ist da unsere Karikatur: Kann es gelingen, mit dem Freiräume-Prozess eine Dampfwalze aufzuhalten, die Schule erdrückt, mit mächtigen Prozessen und Vorschriften ausgestattet ist und an deren Steuer niemand sitzt? Scheinbar automatisch und vollkommen anonym verselbständigen sich ungewollte Entwicklungen? Schon Hannah Arendt hat Bürokratie als „Niemandsherrschaft“ beschrieben.
Nur Schulen in Freiheit können zur Freiheit erziehen: Der SLVN setzt sich daher nicht nur mit Nachdruck, sondern auch mit sehr konkreten Vorschläge dafür ein, den Freiräume-Prozess auf der Ebene von Einzelschulen durch landesweite Maßnahmen zur Entbürokratisierung zu ergänzen. Diese sind aus der Herbsttagung am 24.10.2024 hervorgegangen:
- Datenschutz mit Augenmaß
Wir schlagen vor, die Übermittlung von Daten zwischen Schulen und anderen Institutionen dort unbürokratisch zu ermöglichen, wo es dem Bildungsauftrag unmittelbar dient, z.B. zur Mensateilnahme BUT-berechtigter Kinder oder zur Übermittlung von Fehlzeiten von Auszubildenden an Betriebe in BBS (Änderung §31 NSchG)
- Datenmanagement statt Abfragemarathon
Wir fordern, dass relevante Informationen zum Personal, zu weiteren Schuldaten und Routineprozessen nicht immer wieder in Einzelabfragen nicht kooperierender Dezernate und Referate generiert werden, sondern mit Hilfe professioneller IT-Systeme zentral gebündelt und allen Berechtigten zur Verfügung gestellt werden. Die von MK, NLQ und RLSB erzeugte Mailflut zwingt Schulleitungen, hinter Outlook zu verschwinden, statt ihre Schulen zu leiten.
- Budgetverwaltung: Eigenverantwortlich, einheitlich und einfach
Die Prüfung von Einzelbuchungen durch das Dezernat 1F stellt eine anachronistische und unwürdige Praxis dar. Allen Schulen sollte ermöglicht werden, das Schulgirokonto selbst zu führen. Wir schlagen vor, die Software StarMoney für den schulischen Bedarf zentral zu beschaffen, zu „Star Money School“ weiterzuentwickeln, die standardisierten Kostenstellen dort zu hinterlegen und somit den Schulen eine Kontoführung zu ermöglichen, die Haushaltsüberwachung und schulinterne Rechenschaftslegung vollautomatisch vorbereitet.
- Umgang mit Beschwerden
Wenn sich Eltern oder Schüler:innen im MK oder RLSB beschweren, erwarten wir grundsätzlich die Rückgabe der Federführung an die zuständige Schule, mindestens aber eine Bearbeitungszeit von zehn Werktagen.
- Schulverwaltungsassistenzen an allen Schulen
Auch eine verschlankte Bürokratie macht Arbeit, die das Leitungspersonal von Schulen blockiert. Wir verlangen daher angemessen eingestufte und qualifizierte Schulverwaltungsassistenzen an allen Schulen – im ersten Schritt an Schulen ohne Ständige Vertretung.
- Das Dezernat 1PNilep ordnen
Wir fordern eine angemessene Personalressource und eine angemessene Qualifizierung der Mitarbeitenden im o.g. Dezernat nach dem Prinzip „Ermöglichen statt Verordnen“. Wir erwarten schnellere, einfachere und eigenverantwortlichere Einstellungsprozesse für die Bereiche Schulsoziarbeit, Schulassistenz und Pädagogische Mitarbeit.
- Das Dezernat 1R an die Seite der Schulen stellen
Wir beobachten schwankende und nicht immer standsichere Rechtsauskünfte aus Dezernat 1R. Gerade angesichts härterer gesellschaftlicher Gangarten benötigen wir mit 1R ein Dezernat, das sich an unsere Seite stellt und die Interessen von Schulleitungen und Lehrkräften vertritt – notfalls auch über Beratung hinaus.
- Die Genehmigung von Kooperationen im Ganztag vereinfachen
Wir schlagen vor, das Genehmigungsverfahren von Verträgen im Ganztag auf die Erfordernisse zu reduzieren und z.B. bei dauerhaften Kooperationsverträgen mehrjährige Verträge zu ermöglichen.
- Den Umgang mit Erkrankungen auf den Prüfstand stellen
Erkrankt eine Lehrkraft für längere Zeit, muss die Schulleitung nicht nur den Ausfall – oft persönlich – kompensieren. Sie sorgt auch für die Führung der Krankenkarte und die korrekte Krankmeldung (für gesetzlich und privat Versicherte mit unterschiedlichen Prozessen) sowie die statistische Krankenstandserfassung, die Umsetzung des Wiedereingliederungplans und das Betriebliche Wiedereingliederungsmanagement unter der Aufsicht des RSLB, dem sie außerdem den „Fragebogen zur Überprüfung der Dienstfähigkeit“ zuliefert. Dieses Gesundheitsmanagement macht krank – die Schulleitungen.
- Einstellungsprozesse verschlanken
Unsere Einstellungsprozesse sind immer noch auf Rechtssicherheit im Hinblick auf mögliche Konkurrentenklagen hin orientiert. Die Realität erlaubt eine andere Praxis: Wir verlangen eine Verschlankung des Einstellungsprozesses auf der Grundlage valider und aktuelle Stellen-Bewerber-Listen.
- IZN-Stabil deinstallieren
Wir erwarten ein Statistikprogramm, das professionell programmiert ist, auf Windows und MacOs oder webbasiert stabil läuft und lediglich diejenigen Daten abfragt, die zur Ressourcenzuweisung benötigt werden. Der Statistikprozess ist auf Entlastungsreserven zu überprüfen (z.B. Fristen, Vorspielen von Daten). Jede Doppelung mit der Statistik der Schulträger ist zu vermeiden.
- Dienstreisen digital genehmigen und abrechnen
Wie wäre es, wenn der Antrag auf Genehmigung einer Dienstreise in einer Software gestellt und auch genehmigt würde, z.B. für eine Schulfahrt? Und wenn genau dieser Antrag hinterher auch zur Abrechnung der Reisekosten genutzt werden könnte – mit einer Überweisung per Knopfdruck? Was für Behörden seit Jahren gängige Praxis ist (Reiko), braucht endlich eine Schulversion.
- Softwarelösungen integrieren und nicht addieren
Schulen ertrinken nicht nur in Problemen, sondern manchmal auch in (halbfertigen) Lösungen. Für die NBC, Moin-Schule, Neo etc. gibt es jeweils gute Gründe. Aber Schulen brauchen keine Innovation an vielen verschiedenen Stellen, sondern Lösungen aus einem Guss. Auch für Zeugniserstellung, ILE etc. brauchen wir gute und integrierte Softwarelösungen.
- Feststellungsverfahren für sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfe vereinfachen
Wir erwarten auch an dieser Stelle digitale und einfache Lösungen, die es Schulleitungen ersparen, Daten mehrfach einzutragen –die RZI sollten als Support und nicht als Überwachung fungieren.
- Das Verfahren „Einstellung von Vertretungslehrkräften“ fokussieren
Das derzeitige Antragswesen und die Zuweisungspraxis für Vertretungslehrkräfte sind antiquiert. Wir schlagen daher eine zentrale Datenbank mit Rechercheoptionen nach Fächern und Lehramt vor und erwarten einen Einstellungsvorgang innerhalb von drei Werktagen.
- Ordnungsmaßnahmen nach §61NschG vereinfachen
Angesichts einer zunehmenden Gewaltthematik an Schulen benötigen wir eine Vereinfachung der Eilausschlüsse nach §43 NSchG und eine andere Praxis im Umgang mit der Verweisung auf eine andere Schule derselben Schulform. Wenn diese Maßnahme vom RLSB genehmigt werden muss und die Schulleitung im positiven Fall eine neue Schule suchen muss, sind Rollen und Aufgaben exakt vertauscht.
Dr. René Mounajed | Stephan Lindhorst | Carsten Melchert | Judith Brandes-Bock | Matthias Aschern